1. "Um die Welt ins Gebet zu nehmen"

    Ein Gespräch auf dem Kloster-Sofa: Wie politisch darf eine Predigt sein?

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    LOCCUM (jan). "Wie politisch darf eine Predigt sein?" – Diese Frage hat im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens des Freundeskreises des Klosters Loccum gestanden. Unterschiedliche Ansichten sind auf dem Kloster-Sofa diskutiert worden.

    Der Satz, mit dem die damalige Landesbischöfin Margot Käßmann vor einigen Jahren für Aufregung sorgte, ist immer wieder zitiert worden: "Nichts ist gut in Afghanistan." Daran haben sich damals die Geister geschieden und das tun sie noch heute. Wollte Käßmann das als Handlungsempfehlung aufgefasst wissen? Hat sie sich – womöglich zu sehr – eingemischt? War es eine Zuspitzung, die den Grad dessen, was der Kirche im Verhältnis gegenüber dem Staat zusteht, überschritten hat? Oder war es ein prophetischer Bußruf in die Gesellschaft? Fernsehpastor Jan Diekmann, der die Runde auf dem Kloster-Sofa moderierte, musste jedenfalls nicht lange warten, bis die Stichworte ‚Käßmann’ und ‚Afghanistan’ fielen und seine vier Gesprächspartner auch dazu ihre Ansichten kundtaten.

    Als solch einen ‚prophetischen Bußruf’ möchte Christian Stäblein die Aussage der Bischöfin wohl verstanden wissen. Die Ansichten des Konventual-Studiendirektors im Loccumer Predigerseminar haben erhebliches Gewicht, denn schließlich ist er es, der die Richtung vorgibt für die Ausbildung aller Vikare aus fünf Landeskirchen. Der gesellschaftlich-öffentliche Auftritt gehöre auch zu Predigten dazu, sagte Stäblein. Wichtig sei aber die Beschränkung der Kirche, keine Handlungsanweisungen zu geben. Fritz Erich Anhelm, Direktor der Evangelischen Akademie Loccum im Ruhestand und Politikwissenschaftler, sagte hingegen, dass er es prima fände, wenn konkrete Namen und Situationen genannt würden. "Wir müssen eher zu politischen Aussagen getragen werden", war seine aktuelle Einschätzung zu Diekmanns Frage, ob die Kirche politisch genug sei. Wenn man etwas bewirken wolle, dann müsse man auch konkret werden.

    Ohne dieses Konkrete könne er sich eine Predigt nicht vorstellen, fügte Hans-Hermann Jantzen hinzu, der in seiner Zeit als Landessuperintendent im Sprengel Lüneburg auch in Gorleben predigte. Dabei gehe es aber immer darum, eine grundsätzliche ethische Orientierung zu geben. Käßmann habe mit ihrer Zuspitzung den Grad zur Handlungsempfehlung mit einem Fuß überschritten. Sein Anliegen sei es, sich die Gesprächsmöglichkeit mit allen Seiten immer offen zu halten.

    "Kirche macht keine Politik, aber macht Politik möglich", ist die Empfehlung der Präsidentin des Landeskirchenamtes Hannover, Stephanie Springer. Woraufhin Anhelm meinte, eine Predigt dürfe so politisch sein, wie die biblische Botschaft, die sie verkündigen solle – und der ganzen Bibel sei nichts Politisches fremd.

    Dass die Frage nach den politischen Aussagen in Predigten auch an der Richtung der ethischen Orientierung, die von der Kanzel gegeben wird, gemessen werden muss, zeigte der Diskurs zu Predigten im Nationalsozialismus. Es habe schließlich auch unsägliche Predigten in jener Zeit gegeben, sagte Anhelm. Was zwischen Widerstand und Anpassung bewirkt werden solle, sei eine wichtige Frage. Politische Verhältnisse sollten Pastoren nicht allzu konkret anprangern, weil ihnen bei so Manchem auch die Fachkompetenz fehle, meinte Springer – Orientierung sollte mit Predigten aber gegeben werden.

    Zwei Voraussetzungen müssten gegeben sein, damit Politik auf der Kanzel etwas zu suchen habe, erklärte Jantzen. Zum einen könne das ein aktuelles Tagesgeschehen sein, zum anderen der Bibeltext, der mit konkreten Beispielen erläutert werde. Wenn beides auf den jeweiligen Gottesdienst nicht zuträfe, ein Thema aber dennoch angesprochen werden solle, dann halte er es so, dass er es in die Fürbitten aufnähme. "Um die Welt ins Gebet zu nehmen."

    Foto: jan

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an