"Lena kann nicht sprechen", sagt Brigitte Schubert und betont dabei das ‚kann’. Stumm ist ihre Tochter nicht, sprechen kann sie sehr wohl. Aber da ist eben diese Blockade. Nicht in der Art, dass Lena nicht sprechen will, sondern dass sie einfach nicht in der Lage ist, die Worte zu sagen. Mutismus nennt sich das, was Ärzte diagnostiziert haben und was grob vereinfacht bedeutet, dass die organischen Voraussetzungen zu sprechen zwar vorhanden sind, Kommunikation aber nur in sehr beschränktem Maße stattfindet. Meistens geht Mutismus mit einer Sozialphobie einher – die auch bei Lena vorhanden ist. Wenn möglich, sagt ihre Mutter, meide sie Menschen. Käme sie jetzt während des Gesprächs in dieses Zimmer, dann würde sie im besten Fall lächeln angesichts des Besuchs, aber kein Wort sagen.
Und auch dann, wenn sie einfach nur zu ihrer Familie nach Hause käme, liefe das Gespräch in fest gefügten Bahnen ab, die sich Tag für Tag wiederholten. Gefühle zu erkennen und darauf zu reagieren, falle Lena schwer. Ein Leidensdruck sei aber nicht vorhanden, weil Lena ihre Schwierigkeiten zu sprechen nicht als Problem ansehen würde. In weiten Teilen, sagt Brigitte Schubert, würden die Symptome des Mutismus mit Autismus übereinstimmen – was es aber eben nicht sei. Der Weg, den Lena und ihre Familie zurückgelegt haben, ist lang.
Als Kleinkind kam sie zunächst in den Waldkindergarten, wo aber bald feststand, dass Lena ein Defizit hat, das einen heilpädagogischen Kindergarten sinnvoll machen könnte. Schließlich gab es einen Platz für Lena im Bad Rehburger Kindergarten als Integrationskind – ihre Mutter wollte sie gerne dorthin bringen, wo sie mit den Kindern zusammen ist, die in der Nähe wohnen und die demzufolge ihre Spielkameraden sein könnten. Was dieses ‚Anderssein’ bei Lena war, stand in all diesen Jahren nicht fest. Erst nach der Einschulung riet eine Kinderärztin der Mutter, zu einem Spezialisten für Autismus zu gehen – der dann die Diagnose stellte. Zur Sprachtherapie geht Lena seit vielen Jahren und besucht mittlerweile die Sprachförderschule in Hannover. Dass Mutismus nichts ist, das geheilt werden kann, weiß Lenas Familie. Worauf sie aber hoffen, ist, dass sie ihr ‚ein Tor zur Welt’ öffnen können.
Dieses ist auch der Grund, weshalb sich Brigitte Schubert im vergangenen Jahr entschloss, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Fünf Elternteile betroffener Kinder und Jugendlicher sind es bisher, die sich in Wunstorf in ‚Küsters Hof’ treffen, Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig stützen und dabei bemerken, dass sie nicht allein mit diesem Problem sind. Gerne möchte Brigitte Schubert den Kreis aber noch vergrößern. Angehörige kämen bisher dazu. Betroffene könnten aber auch gerne zu den Treffen kommen.
Das nächste Treffen in Küsters Hof ist für Mittwoch, den 23. Juli, 19 Uhr, geplant.
Informationen erteilt Brigitte Schubert aber auch gerne telefonisch unter (01 70) 8 59 17 26.
Foto: jan