Der blitzartige Konter war das bevorzugte taktische Stilmittel, mit dem Mirko Slomka Hannover in zwei Saisons zu bedeutenden Erfolgen führte. Nach Ballgewinn sollten die Stürmer möglichst fix über zwei bis drei Spielzüge in vielversprechende Abschlussposition gebracht werden. Scharfe und genaue Steil-Pässe musste das 96-Mittelfeld dazu durch die gegnerischen Defensivreihen schieben. Hannover nahm das erhöhte Risiko, dass diese Pässe abgefangen werden, bewusst in Kauf. Die Eindrücke in Trainingslager und Testspielen weisen darauf hin, dass der neue Coach Tayfun Korkut eine andere Marschroute vorgibt. Korkut arbeitete mit seinem Team intensiv in den Bereichen Ballbehauptung und sicheres Pass-Spiel. Der saubere Aufbau über längere Kombinationsphasen soll offenbar ein größeres Gewicht bekommen. Nun strebte bereits Slomka zuletzt ein variableres Angriffsspiel an. Es wird sich zeigen, ob Korkut in der relativ kurzen Zeit in der Winterpause seine Handschrift vermitteln konnte. Gleiches gilt für die Abstimmung in der Defensive. Korkut büffelte mit seiner Elf an taktischen Grundlagen und hofft auf eine Erhöhung der Stabilität. Wie häufig bei einem Trainerwechsel dürfte sich der Stellenwert von einzelnen Spielern verändern. Jan Schlaudraff und Manuel Schmiedebach haben sich beispielsweise wieder dichter an die erste Elf herangearbeitet. Für den Sturm erhielt Korkut mit Artjoms Rudnevs Verstärkung vom Hamburger SV. Bullig und sehr schnell ähnelt die Leihgabe in ihrer Spielweise Torjäger Mame Diouf. Für Korkut gilt es, beide trotzdem zu einem konstruktiven Zusammenspiel anzuleiten. Immerhin will er sich die Option offenhalten, mit einer Doppelspitze aufzulaufen. Gegen Wolfsburg muss er allerdings womöglich zwangsweise auf Diouf verzichten, dieser schlägt sich mit Muskel-Problemen im Bein herum. In Wolfsburg wird 96 sehr gefordert werden. Die Elf von Dieter Hecking ist mit hochklassigen Individualisten wie Diego und Luiz Gustavo gespickt. Mit Kevin de Bruyne wurde für mehr als 20 Millionen Euro eine hochtalentierte Verstärkung geholt, die Offensivakzente setzen soll. Die Wolfsburger, seit neun Partien ungeschlagen, stehen mittlerweile auf Tabellenplatz fünf. Für 96 wäre bereits ein Punktgewinn bei diesem Gegner sehr viel Wert. Korkut erzeugte eine gewisse Aufbruchsstimmung im Umfeld, mit einem Teilerfolg würde diese bestätigt. Außerdem wäre der Auswärtsfluch gebrochen.
Mit Gladbach, Schalke, Mainz und Bayern München geht es für 96 nach Wolfsburg sehr anspruchsvoll weiter. Für 96 wäre es wichtig, in dieser schwierigen Phase nicht nach unten durchgereicht zu werden und zumindest spielerisch erste Fortschritte zu erreichen. Helfen dürfte Korkut, dass sich Akteure wie Lars Stindl und Diouf nach Aufbautraining im Winter und mit zunehmender Spielpraxis wieder ihrer Bestform annähern. Dazu widmen sich die Profis, die unter Slomka schlechte Karten hatten, ihren Aufgaben mit neuem Schwung. Es wird vermutlich noch einige Zeit brauchen, bis sich Korkuts Grundsätze einschleifen. Zumal er die Mannschaft nach dem Umbruch des Sommers zu mehr Geschlossenheit führen muss. Wunderdinge sind deshalb gerade bei dem schwierigen Auftakt nicht zu erwarten.Foto: bb