RODENBERG (em). In einem offenen Brief, der dem Schaumburger Wochenblatt vorliegt, hat sich der Rodenberger Pastor Ralf Janßen an den Rat der Stadt gewandt. In seinem Brief kritisiert er die Entscheidung des Rates zur Standortwahl eines geplanten offenen Treffpunktes für die Bürger. Das Schaumburger Wochenblatt veröffentlicht im Folgenden den Brief im Wortlaut:
Ralf Janßen, Grover Straße 32, 31552 Rodenberg
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Rodenberg,
nun ist die Entscheidung also gefallen. Sie haben mit einer überzeugenden Mehrheit in Ihrer letzten Ratssitzung am 18. Dezember 2013 beschlossen, in den Räumlichkeiten des Gebäudes Lange Straße 2 einen offenen Treffpunkt einzurichten. Ein einstimmiger Beschluss über alle Parteigrenzen hinweg ist in der Demokratie ein klares Ergebnis. Was aber war der genaue Anlass für ein derartig starkes Bekenntnis, nachdem Sie doch über einen Zeitraum von über drei Jahren das Thema Seniorentreff heftig und kontrovers hin und her diskutiert und in mancher Situation selbst vor Peinlichkeiten keinen Halt gemacht haben?
Man kommt dem Ganzen nur dann auf die Spur, wenn im gleichen Atemzug genannt wird, was Sie auf gar keinen Fall gewollt haben. Denn mit Ihrem Beschluss haben Sie zugleich den Antrag der ‚Agenda Soziales‘, als deren Sprecher ich bisher fungiert habe, in allen Punkten abgelehnt. Dieser Antrag sah vor, entweder auf dem Areal der jetzigen Pizzeria (Amtsstraße 1) oder gegenüber dem Ratskeller (ummauerte Freifläche hinter der Bäckerei Stummeyer) eine offene Begegnungsstätte für Rodenberger Bürgerinnen und Bürger einzurichten und gegebenenfalls übergangsweise mit Containern zu arbeiten, wie das auch an anderer Stelle, z.B. in der IGS Rodenberg geschieht.
Ihre Gründe, diesen Antrag abzulehnen, mögen auf den ersten Blick verständlich sein: Ein Neubau im Stadtkern hätte viel Geld gekostet. Container in der Nähe des Ratskellers wären vielleicht ein Schandfleck geworden. Die Frage, ob sich eine solche Investition überhaupt lohnt, wo doch keiner genau im Voraus weiß, ob ein offener Treffpunkt von der Bevölkerung überhaupt angenommen wird, kann niemand mit Sicherheit beantworten. Dennoch: Alle bisherigen Bemühungen, die sich zunächst in einer Initiativgruppe aus allen Sozialverbänden und den Kirchengemeinden am Ort sammelten und dann in der ‚Agenda Soziales‘ aufgingen, haben Sie mit Ihrem Beschluss vom Tisch gefegt. Auch die Befragung von Menschen aus Rodenberg hat bei Ihrer Entscheidung keinerlei Rolle gespielt. Ja, selbst die Mitglieder der ‚Agenda Soziales‘ haben Sie mit Ihrem Beschluss überrollt, hat es doch zwischen der Antragstellung und dem Ratsbeschluss keinen Kontakt und keine Aussprache über mögliche Konsequenzen gegeben.
Ich kann den Eindruck nicht loswerden, als habe für Sie am Ende nur ein einziges Argument gezählt, nämlich, dieses lästige Thema endlich irgendwie zu beenden.
Vielleicht haben Sie auch gedacht: So schlecht kann die Lange Straße 2 als Standort nicht sein, waren doch vor drei Jahren alle irgendwie schon dafür, den Treffpunkt gerade dort einzurichten. Wäre da nur nicht das von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Gutachten, das die Baufälligkeit des Gebäudes durch fachliche Kompetenz dokumentiert. Die-se Baumängel wurden durch den Amtsleiter bei einem Ortstermin in einer öffentlichen Bauausschusssitzung im April 2012 erläutert. Der Sanierungsaufwand beläuft sich nach damaliger Schätzung auf mehr als 100 000 Euro.
Meines Wissens hat sich an diesem Sachstand bis heute nichts geändert. Abgesehen von dem hohen Sanierungsaufwand, kann allein die Tatsache, dass dieses Gebäude noch nicht zusammengefallen ist, nicht als Argument für eine zukünftige Verwendung herhalten. Mindestens ebenso gravierend wie die bauliche Problematik sind aber die inhaltlichen Aspekte, denen Sie bei Ihrer Entscheidung keine Bedeutung mehr beimaßen. Sie, als Mandatsträger, haben nämlich nicht nur den Bürgerwillen ignoriert, den ich in der Ratssitzung am 23. Oktober 2013 mittels der Umfrageergebnisse vom März 2013 vorgestellt habe, sondern auch das großartige Angebot abgelehnt, die Organisation eines solchen Treffpunkts durch die Gründung einer gemeinnützigen, bürgerlichen Genossenschaft zu betreiben, in der mit finanziellen Mitteln und ehrenamtlichem Engagement Rodenberger aus eigener Kraft für den Erfolg eines Bürgertreff gesorgt und die Stadt zudem vor Personalkosten bewahrt hätten.
Nun hat die Politik sich anders entschieden und will die Dinge selbst in die Hand nehmen. Ich bin schon sehr gespannt, wie das gemeint ist, dass man ‚sofort loslegen‘ könne, da ich kein wirkliches Konzept für Ihre Lösung erkennen kann. Ich selbst stehe für diesen euphorischen Aufbruch nicht mehr zur Verfügung, weil ich mein Herzblut bereits an anderer Stelle vergossen habe. Zudem glaube ich nicht an den Erfolg Ihres Unternehmens. Es wäre den Bürgern unserer Stadt zu wünschen, dass ich mit meiner Befürchtung Unrecht habe, denn ich halte einen solchen Treffpunkt in Rodenberg nach wie vor für notwendig.
Mit guten Wünschen für das neue Jahr."