1. Dem Wissen Zeit zum Wachsen lassen

    Ratsgymnasium feiert Jubiläum / Schulen und Schüler zwischen Effizienzwahn und "Bulimielernen"

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    STADTHAGEN (nb). John F. Kennedy macht sich zum "Berliner", Martin Luther King macht seinen Traum öffentlich und in Deutschland schlägt die Geburtststunde für das ZDF, die Bundesliga und die "BRAVO". Ebenfalls vor 50 Jahren, nur nicht ganz so weltöffentlichkeitswirksam, fand auch der Umzug des Ratsgymnasiums in die Büschingstraße statt. Dieses "Standortjubiläum" hat die Schule mit einem Festabend gefeiert, zu dem neben Vertretern aus Politik und Verwaltung auch Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke gratulierte.

    Dass jedoch auch das Ratsgymnasium selbst bereits ein Teil der Geschichte ist, hob Schulleiter Heinrich Frommeyer zu Beginn des Programms hervor. Vor 1330 als Pfarrschule gegründet, wurde es 1378 als Lateinschule geführt und hatte sich dort bereits der Vermittlung traditioneller Bildung verpflichtet.

    Am Standort "Hinter der Burg" ist die Einrichtung über Jahrhunderte stetig gewachsen, trug viele Namen und musste als Folge des "Babybooms" und der anschließenden "Schülerschwemme" schließlich an einen größeren Standort wechseln, der zudem erstmalig mit einem "Luxus" wie hellen Räumen und Heizung ausgestattet war und schließlich 69 zum Gymnasium wurde, dass erst vor sieben Jahren zuletzt expandieren musste. "50 Jahre humanistische Bildung im Sinne Humboldts und Herders", 50 Jahre Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen vor einem ganzheitlichen Ansatz, an dem weiterhin festgehalten werde, so Frommeyers Resümee. Dem gegenüber stehe, dass sich Schulen heute daran messen lassen müssten, welchen Ertrag sie bei Schülern erzielten. "Bis heute sind wir eine Schule, die sich nicht den bildungspolitischen Moden unterwirft." Beugen muss sich das RGS jedoch dem "G8", dem Abitur nach acht Schuljahren. "Aus meiner Sicht zum Nachteil für alle Beteiligten und eine bildungspolitische Fehlentwicklung." Mit teils bis zu 36 Wochenstunden sieht er Schüler überfordert und in ihrem persönlichen Entwicklungsprozess eingeschränkt.

    Dies widerspreche dem humanistischen Grundansatz, es bleibe keine Zeit für Tiefgang bei der Wissensvermittlung noch für einen Diskurs. Viel mehr Schüler als früher blieben auf der Strecke, die allgemeine Folge des gesellschaftlichen Effizienzwahns sei das "Bulimielernen", von nachhaltiger Bildung könne keine Rede mehr sein.

    Nicht weniger problematisch sei für ihn jedoch die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Geschwindigksoptionen. Ebenso wie die Lernzeitverkürzung kritisierte er die zu geringe finanzielle Ausstattung der Schulen. Begabtenförderung sei nicht für lau zu haben und die Schulgesetznovelle samt Inklusiven Lernens könne nicht ohne zusätzliche Ressourcen funktionieren. Froh sei er allerdings, in der Schule heute deutlich mehr Spielräume bei Entscheidungen zu haben.

    Landrat Jörg Farr bedankte sich bei ihm für die "deutlichen und klaren Worte", die er als ehemaliger Schüler und Vater nachempfinden könne. Er lobte das RGS für seine Leistung. Es habe immer geschafft "jung" zu bleiben und verstanden, Schule attraktiv zu gestalten. Als Europaschule sei es offen für neue Kulturen, Kontakte und Menschen, Kompetenzvermittlung finde hier nicht nur in den Klassenräumen statt. Als Pate für Innovationen, die später zu Gesetzen wurden, sei das RGS ein "Aushängeschild in der Schullandschaft Schaumburgs".

    Bürgermeister Bernd Hellmann stellte heraus, welche Eigenschaften das Ratsgymnasium aus seiner Sicht unverwechselbar machen: Geist und hohes Engagement der mitwirkenden Menschen, die auch am Festabend spürbar seien und für den "hervorragenden Ruf im Landkreis und weit darüber hinaus" sorgten. Auch er halte das "G8"-Konzept bildungspolitisch für sehr fragwürdig und bediente sich eines afrikanischen Sprichwortes: "Der Halm wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht." Als ehemaliger Schulträger und nun Standortgemeinde sicherte Hellmann stellvertretend für die Stadt seine Unterstützung zu. Auch Schulelternratsvorsitzende Dietlind Schwope betonte die Rolle der Menschen, von denen das RGS lebe. Zwischen allen Anforderungen Balance zu halten, sei heute eine der schwierigsten Aufgabe. Mehr über den Festvortrag von Philosophiedidaktiker Prof. Dr. Ekkehard Martens auf dieser Seite.Foto: nb

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