Schindels Mutter Lotte Rosenfeld hatte einen Großteil ihrer Jugend in Stadthagen verbracht. 1938 floh sie vor den Verfolgungen in Nazi-Deutschland aus Stadthagen über mehrere Stationen nach Übersee. Weitere Familienmitglieder mussten fliehen, viele wurden in Osteuropa von den Nazis ermordet. Aus Anlass der Stolperstein-Verlegung für mehrere Verwandte reiste Andrew Schindel nach Stadthagen. Mit der Absicht, den Besuch mit Forschungen zur Familiengeschichte zu verbinden. Dass aus diesem Unternehmen ein sechsmonatiges Projekt wurde, hatte Schindel nicht geplant.
Neben den Nachforschungen in Archiven und der Besichtigung historischer Stätten suchte Andrew Schindel das Gespräch mit Zeitzeugen und deren Nachfahren. Dabei habe er einen unmittelbaren Eindruck davon gewonnen, welch große Auswirkungen Holocaust und Zweiter Weltkrieg gehabt hätten, berichtete er. In Europa sei dieses Thema weit gegenwärtiger als in den USA, der persönliche Bezug enger, weil fast jede Familie, jedes Leben von den Geschehnissen erfasst worden sei. "Wir haben die Schrecken der Vergangenheit geteilt", berichtete Schindel über manche Gespräche. Neben schmerzhaften Erfahrungen hätten die Menschen im persönlichen Austausch aber auch über glückliche Erinnerungen berichtet, oder den Alltag beschrieben. Besonders viele Gespräche habe er bei seinen Aufenthalten in Schaumburg geführt.
Für beide Seiten seien diese Gespräche wichtig, für beide Seiten seien sie sehr emotional gewesen. Er sei dankbar für diesen Austausch. Oft habe er in den Gesprächen kleine Informations-Puzzleteile erhalten. Um ein umfassenderes Bild von seinen Familienangehörigen und ihrem Leben im Raum Stadthagen zu gewinnen, seien diese Puzzle-Teile jedoch von sehr großem Wert gewesen. Über Verwandte wie Hanna Lilienfeld, vorher für ihn nur ein Name auf einem Stück Papier, habe er so etwa Wichtiges erfahren, ebenso beispielsweise über die Wohn- und Arbeitsorte. Solche Erinnerungen kehrten jetzt über den Ozean zurück zu seiner Familie in den USA. Er sei in Stadthagen sehr freundlich aufgenommen worden. Dazu seien Stadt und Umgegend mit besonders vielen Erinnerungen an seine Mutter verbunden. Bei seinem letzten Aufenthalt in der Kreisstadt etwa, kam Schindel in Räumen der St. Martini-Gemeinde unter. In unmittelbarer Nähe zur Schule am Schlosspark, die seine Mutter in ihrer Jugend in den 30er Jahren besuchte. Und wo sie ihren kleinen Bruder Kurt gegen eine Schneeball-Attacke durch aufgehetzte Schulkameraden schützte. Möglich sei eine solche Reise nur durch die große Unterstützung seiner Frau geworden, hielt Andrew Schindel fest. Nun freue er sich auf das Wiedersehen.
Daheim gelte es auszupacken, nicht nur Dinge aus dem Koffer, sondern auch zahlreiche Erinnerungen aus dem Kopf und aus dem Herzen, so Schindel kurz vor seiner Rückreise.Foto: bb
