STADTHAGEN (nb). Das freiheitliche und demokratische Deutschland wird von den Menschen genährt, die Teil davon sind. Charlotte Knobloch hat ihren Eintrag in das "Goldene Buch" der Stadt als Appell formuliert. Statt auf Erinnerungen an die Vergangenheit zu beharren, erinnerte sie vor diesem Hintergrund an die Verantwortung jedes Einzelnen, Zivilcourage zu zeigen und gesellschaftliches Miteinander zu gestalten. Anfang der Woche war die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses und der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern auf Einladung des Kreisverbandes Schaumburg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Stadthagen zu Gast. Der erste Teil ihres Besuches fand in den Räumen des Ratsgymnasiums statt, das sie für eine Podiumsdiskussion mit Schülern besuchte. Aufgrund des engen Zeitplanes verlegte Bürgermeister Bernd Hellmann die offizielle Begrüßung in die Schulräume. Wenn der Besuch nicht ins Rathaus kommt, kommt das "Rathaus" eben auch zum Besuch. Erst recht, wenn es sich um eine verdiente Persönlichkeit wie Knobloch handelt. Vertreter der beteiligten Institutionen begrüßten die 80-jährige Münchnerin und tauschten sich in kleiner Runde aus. Neben Schulleiter Heinrich Frommeyer und dem GEW-Kreisvorsitzenden Friedrich Lenz nahm auch Marina Jalowaja als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bad Nenndorf an der Zusammenkunft teil. Jürgen Lingner und Hellmann vertraten als Vorsitzende den Förderverein Ehemalige Synagoge Stadthagen. In seiner Doppelfunktion präsentierte Letzterer deshalb nicht nur die Kreisstadt als solche, sondern ging ebenso auf die Geschichte jüdischen Lebens in ihrer Vergangenheit ein. Sie soll über die Herrichtung und Neunutzung des Synagogen-Gebäudes wachgehalten werden, das nach einigen Diskussionen und Richtungswechseln nun nicht mehr nur als "Mahnmal" der Opfer, sondern als Dokumentations- und Lernort dienen soll. In Hellmanns Augen eine "gesellschaftlich wichtige Aufgabe", für deren Umsetzung aus dem städtischen Haushalt bis zu 430.000 Euro bereitgestellt werden sollen. Das Konzept fand auch bei Knobloch Anklang, die die Entstehung des "Jüdischen Zentrums" in München mit ähnlichem Ansatz vorangetrieben und begleitet hatte. Es sei "hervorragend", ein "Haus der Kultur und der Begegnung" an einem Ort mit dieser Geschichte zu schaffen, an dem sich Menschen unabhängig von Hautfarbe und Religion treffen können. "Das ist das Beste, was sie machen konnten", lobte Knobloch. Immer wieder höre sie vom Erfolg ähnlicher Stätten. Sie selbst trete für ein "Judentum zum Anfassen" ein, nach dem Vorbild ihres Vorgängers im Zentralrat, Ignatz Bubis, der die "Mauern des Ghettos" eingerissen habe. Offenheit sei wichtig. Deswegen diskutiert und spricht sie gern mit jungen Menschen. Früher um Schuldgefühle in der nachfolgenden Diskussion abzubauen, heute, weil sie merke wie groß deren Interesse an der Heimat und der Geschichte ihres Landes sei. Die anschließende Diskussion in der Schule transportierte dieses Empfinden deutlich. Lesen Sie mehr darüber in der nächsten Ausgabe.
Hellmann überreichte ihr als Präsent das Buch "Jüdisches Leben in der Provinz" von Günter Schlusche und Rolf-Bernd de Groot, das die Geschichte der Juden in Schaumburg nachzeichnet, von Frommeyer erhielt sie den Fotoband über das RGS-Theaterprojekt.Foto: nb
