LANDKREIS (bb). Die Polizei hat im Landkreis Schaumburg im Jahr 2012 einen deutlichen Anstieg der Anzahl der Straftaten politisch motivierter Kriminalität (PMK) registriert. Die Zunahme der Fälle in diesem Deliktbereich sei durch den rechtsextremen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf und den "Rechts/Links-Konflikt" in Bückeburg verursacht, erklärte Frank Kreykenbohm, Leiter der Polizeiinspektion Nienburg im Pressegespräch. Somit stehe man im Landkreis vor keinem flächendeckenden Problem politisch motivierter Kriminalität.
"Rechts/Links-Konflikt"
in Bückeburg:
"Trauermarsch"
in Bad Nenndorf
Es ist eine massive Steigerung der Fallzahlen, über die Kreykenbohm gemeinsam mit dem Leiter des Kriminalermittlungsdienstes Thorsten Walter und dem Leiter des Polizeikommissariats Bückeburg Werner Steding informierte. Im Jahr 2012 verzeichneten die Polizeibeamten in Schaumburg 253 Straftaten aus dem Bereich PMK. 2011 waren dies 136 Fälle (2010: 104 Fälle), so dass sich eine Steigerung von rund 86 Prozent ergibt. Dabei hat sich die Zahl der Gewaltdelikte in diesem Bereich auf 40 in 2012 gegenüber dem Vorjahr (2011: 22 Fälle) nahezu verdoppelt.
Zur Einordnung der Zahlen verwies Kreykenbohm auf die Gesamtzahl der begangenen Straftaten im Landkreis von 9120 im Jahr 2012. Hiervon mache die PMK mit ihren 253 Fällen einen Anteil von 2,7 Prozent aus. Die Polizei widme sich diesem Deliktbereich trotzdem mit sehr vielen Beamten, wie Kreykenbohm festhielt. Die Zunahme der Straftaten würde durch zwei sehr spezielle Phänomene im Landkreis verursacht. Über die Brennpunkte "Rechts-Links-Konflikt" in Bückeburg und den sogenannten "Trauermarsch" in Bad Nenndorf hinaus, sei der Landkreis im Bereich PMK statistisch nicht auffällig. So könne von einem flächendeckenden Problem in Schaumburg keine Rede sein. Insgesamt habe sich die Zahl der Straftaten im Landkreis von rechtsextremer Seite von 92 auf 139 Delikte erhöht, der von linksextremer Seite von 65 auf 111.
128 der 253 in Schaumburg begangenen PMK-Delikte stünden in direktem Bezug zum "Rechts/Links-Konflikt" in Bückeburg. Die verzeichneten Gewalttaten im Deliktfeld seien 2011 wie auch 2012 nahezu ausschließlich im Rahmen dieses Konflikts begangen worden. Mit großer Intensität und einem umfassendem Maßnahmenbündel habe sich die Polizei diesem Problem gewidmet. Die Beamten hätten sich ein umfassendes Lagebild erarbeitet.
Sowohl die rechtsextreme als auch die linksextreme Gruppe bestehe im Kern aus rund zehn jungen Männern, die der Polizei bekannt seien. Beide Seiten hätten immer wieder gezielt die Auseinandersetzung mit der Gegenseite gesucht, dabei auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt. Die Übergriffe hätten sich dabei jeweils auf die andere Gruppe erstreckt, für Unbeteiligte bestehe nur eine sehr geringe Gefahr. Ausländerfeindliche oder antisemitische Aktivitäten der rechtsextremen Gruppe seien nicht zu verzeichnen. Graffiti und Aufkleber dienten der Demonstration von Revieransprüchen. "Eine politische Dimension ist immer weniger wahrnehmbar, die Auseinandersetzung nimmt zunehmend den Charakter eines Bandenkonflikts junger Männergruppen um Territorien an", so Kreykenbohm. Die Beziehungen innerhalb der Gruppen würden auf Freundschaften beruhen. Versuche extremistischer Aktivisten von außerhalb Zugang zu den Gruppen zu finden, seien erfolglos geblieben.
Die Polizei werde ihre intensive Präsenz und Ermittlungsarbeit in Bückeburg fortsetzen. Durch sie sei eine Aufhellung des Dunkelfeldes gelungen, verbunden mit einer Erhöhung der registrierten Fallzahlen. Das Konzept der Polizei beginne Wirkung zu zeigen. Ziel sei es, Umkehrwilligen den Ausstieg aus den beiden Gruppen zu erleichtern, gleichzeitig die Straftaten intensiv zu verfolgen. Auf beiden Seiten hätten Mitglieder mittlerweile den Gruppen den Rücken gekehrt. So hoffe die Polizei, den Konflikt allmählich auszubremsen. Allerdings seien Konfrontationen bei unverändertem Verhalten der Gruppenmitglieder vorerst nicht vollständig zu unterbinden.
Die sogenannten "Trauermärsche" von Rechtsextremen würden Bad Nenndorf jährlich wiederkehrend für zwei Tage in den Fokus der Polizei rücken. Dabei würden sich die bundesweit anreisenden Rechtsextremen sehr bemühen, die Auflagen der Behörden zu erfüllen, um die Fortführung ihrer Aufmärsche nicht zu gefährden.
Die Straftaten würden hier in erster Linie von linken Aktivisten, zumeist von außerhalb, begangen, beim Versuch, den Aufmarsch teils durch gewalttätige Aktionen zu stören. Die Blockadeversuche hätten in 2012 zu einer Zunahme der Fallzahlen im Bereich des Polizeikommissariats Bad Nenndorf von acht in 2011 auf 75 in 2012 geführt. Von diesen 75 Fällen hätten 36 dem linksextremen Lager, sieben dem rechtsextremen im Zusammenhang mit dem "Trauermarsch" direkt zugeordnet werden können.
In den letzten Jahren seien die Teilnehmerzahlen beim rechtsextremen "Trauermarsch" gesunken.
Kreykenbohm führte dies in erster Linie auf den friedlichen, bürgerlichen Protest entlang der Strecke zurück. Diese würden die Veranstaltung für die Rechtsextremen unattraktiv machen.
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