1. Europa abschaffen heißt sich den Ast absägen

    Der Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon benennt die Notwendigkeiten des europäischen Finanzmarktes

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    "Alle müssen ihre Hausaufgaben ordentlich machen", so Fahrenschon. Deutschland führte er dabei als Vorzeigemodell an, dessen Widerstandsfähigkeit sich vor allem in der Krise bewiesen habe. Die sei zwar im Land angekommen, im Vergleich zu den Nachbarn jedoch nur für wenige direkt spürbar gewesen. Dies führt Fahrenschon auf die stabilisierende Wirkung der regionalen Strukturen und die kommunale Selbstverwaltung zurück: "Wir versuchen unsere Gesellschaft von unten nach oben zu strukturieren." Sie gebe Unternehmern und Bewohnern vor Ort Sicherheit, die Stärke der deutschen Volkswirtschaft liege in starken dezentralen Kreisläufen. Bereits 2010 habe mit einem Wirtschaftswachstum von vier Prozent die Aufholjagd begonnen, seitdem seien die Quoten weitgehend stabil. Bei den Nachbarn ist dies offenbar angekommen, Besuche von Delegationen, etwa aus dem "angelsächsischen Raum", seien mittlerweile an der Tagesordnung, das Interesse an den hiesigen Systemen groß. Insbesondere die Wiederbelebung eines Netzes aus kommunal und regional getragenen Banken stehe derzeit im Blickpunkt. Das deckt sich mir Fahrenschons Kritik am "angelsächsischen Investmentbanking" und der vielerorts eindimensional ausgerichteten Wirtschaft. Es sei ein Fehler, sich nur auf jeweils eine Branche auszurichten. In Deutschland setze sie sich aus verschiedenen Sektoren wie Automobil, Chemie, Bauwirtschaft, Elektronik und Dienstleistung zusammen, die Mischung aus Industrie und Mittelstand schaffe die Basis. Wenig hält der Sparkassenpräsident hingegen von der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, mit der sie lediglich Zeit kaufe, aber keine Verbesserungen bewirke. "Andere zahlen die Zeche dafür", so Fahrenschon. "Vorne" stabilisiere der Niedrigzins zwar die Krisenstaaten, "hinten" zahlten jedoch die Sparer drauf, die ungefragt zu einem zusätzlichen Solidaritätsbeitrag für Europa herangezogen würden. Stattdessen sei es wichtiger, die regionalen Einheiten weiter zu stärken, in die örtliche Infrastruktur zu investieren, damit die örtliche Gesellschaft am Leben zu halten und Stück für Stück darauf aufzubauen. Für einen Ausbau der Subsidiarität sei eine größere Transparenz in den politischen Entscheidungssystemen jedoch Voraussetzung. Für eine sinnvolle Regulierung der Finanzmärkte müsse laut Fahrenschon möglichst viel Verantwortung "runterdelegiert" werden, nur eine geerdete, regional verankerte Kreditwirtschaft biete die nötige Stabilität, die dezentrale Kreditwirtschaft stelle über leihen und Vertrauen Investitionen in die unternehmerische Zukunft dar. Bei den Vorgaben zur Einlagensicherung müsse dies beachtet werden, sei in den Verordnungen aus Basel III, die ab 2014 in Kraft treten, jedoch nicht angemessen berücksichtigt. Die Vereinheitlichung aller Banken sei nur vordergründig eine gute Idee und grundsätzlich zu sehr auf das alltägliche Bankengeschäft ausgerichtet. Falsch verstandener Verbraucherschutz könne dazu führen, dass sich Sparkassen wie Volks- und Raiffeisenbanken aus der Beratung in der Fläche immer weiter zurückziehen, da für Kunde und Bankberater Wertpapierfonds immer unattraktiver würden. "Ich glaube, wir brauchen die Sparkassen, Volks- und Rauffeisenbanken mehr denn je", sagte Burkhard Balz, "wir haben im letzten Jahr gesehen, dass sie in der Finanzkrise ein sehr stabiler Faktor sind". Mittelstand und regionale Wirtschaft würden getragen und ihre feste Verankerung in der Region sei eine wesentliche Triebfeder für solide Arbeit. Für die Einhaltung innereuropäischer Verträge und Auflagen wünscht er sich die Installation eines Haushalts- oder Staatskommissars. An ein Ende der EU-Mitgliedschaft oder eine Rückkehr zur Deutschen Mark, wie es einige Initiativen und "Splittergruppen" gerne hätten, ist für Fahrenschon trotz vieler im Raum stehenden Veränderungen nicht zu denken. Wer sich wieder nur auf den Binnenmarkt konzentrieren wolle, "sägt an dem Ast, auf dem wir gemeinsam sitzen". Wirtschaftlich wie geografisch wäre Deutschland isoliert und mit Blick auf Chinas Wirtschaftswachstum nicht wettbewerbsfähig. Um dagegenhalten zu können, brauche es ganz Europa. Zudem verberge sich hinter dem europäischen Gedanke eine besondere Geisteshaltung, von der vor allem junge Menschen profitieren, denen so alle Türen offen stehen. Foto: nb

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an