NIEDERNWÖHREN (wtz). Es ist immer ein bedeutendes Ereignis wenn ein alter Loggerkapitän den Seemannsverein Niedernwöhren und Umgebung besucht. Gerade im Jahr des 111-jährigen Vereinsbestehens genießen Zeitzeugen eine besondere Bedeutung. Zum geplanten Festabend im Oktober wird eine umfangreiche Festschrift erstellt, welche die Geschichte der Heringsfänger aus Niedernwöhren und Umgebung - angefangen von den Hollandgängern bis hin zu einem zeitgerechten Traditionsverein - dokumentieren wird. Der Verein hat sich die Aufgabe gestellt, diesen Teil der Dorfgeschichte, aber auch der Sozialgeschichte des nördlichen Teils von Schaumburg Lippe zu erhalten.
Heringsfang war keine Ausflugsfahrt, sondern harte und oft lebensgefährliche Arbeit. So war es für den Verein eine Lehrstunde, als jüngst der heute 93jährige Loggerkapitän Karl Kölling aus Hackshorst den Verein besuchte und die Festschrift um einige erlebte Ereignisse bereichern konnte. Karl Kölling begann seine Laufbahn auf See gleich nach der Schule 1934 mit 14 Jahren. Er durchlief alle Ausbildungsstationen vom "Jüngsten", ab 1940 als Steuermann, bis zum Loggerkapitän 1954 auf dem Leihlogger "Carl Fissler". Nach über 20 Jahren als Loggerkapitän und über 40 Jahren auf See, war sein letzter Einsatz auf dem Logger SG 2 "Hermold".
Karl Kölling war zudem bei der Justiz als Kapitän mit viel Einfühlungsvermögen für schwer umgängliche junge Männer gut bekannt. So wurde er mehr als Bewährungshelfer eingesetzt, um so manchem jungen Mann eine neue Lebensrichtung zu geben und die Werte von Kameradschaft und dem verantwortlichen miteinander zu vermitteln. Auch schwere Schicksale begleiteten Karl Kölling. So erzählt er mit nachdenklichem Worten die Ereignisse im Herbst 1955. Er war Kapitän auf dem Logger SG 2 Tiu als in einer stürmischen Nacht beim Wachwechsel der beiden Rudergänger ein Rudergänger über Bord gespült wurde. Es war den Umständen geschuldet, dass man das Unglück nicht sogleich bemerkte, aber man spürte, dass jemand fehlt. Die sofortige Umkehr, das Einschalten aller Scheinwerfer an und eine intensive Suche nach dem über Bord gegangenen Seemann blieben erfolglos. Auch wenn man das als Schicksal bezeichnen will, so ist es letztendlich doch immer der Kapitän, der die Verantwortung für Schiff und Besatzung gegenüber den Familien und der Loggergesellschaft trägt.
Diese Schicksale, die Gefahren auf See, aber auch der wirtschaftliche Erfolg eines guten Fanges waren in den Anfängen der Grund für den Seemannsgottesdienst. Die Seemänner verabschiedeten sich von ihren Familien und Freunden jeweils Ende April, um bis Dezember auf Heringsfang zu gehen.
Dieser Tradition folgend, treffen sich auch heute noch die Seemannsvereine mit ihren bunten Vereinsfahnen zum Seemannsgottesdienst. Foto: privat