LAUENAU (jl). Maximilian Bock liebt das Radfahren. Auf seinem Liegerad erklimmt der 19-Jährige, den alle Maxi nennen, den Lauenauer Hoppenberg mühelos. Seit fast fünf Jahren ist er schwerstbehindert, ein Fahrradunfall veränderte sein Leben. Sein Vater Wilfried Bock erinnert sich: Es ist der 15. März 2008 in einem Trainingslager in Vaison-la-Romain, Frankreich.
Er bittet den verantwortlichen Trainer, seinen damals 15-jährigen Sohn aufgrund eines grippalen Infekts nicht trainieren zu lassen.
Am darauffolgenden Tag: Maxi, ein ehrgeiziger Jugendlicher, steigt auf sein Rad und rast den Mount Ventoux mit einer Geschwindigkeit von rund 70 km/h hinunter. Es ist das erste Mal, dass der Lauenauer eine solche Abfahrt trainiert. Er setzt zum Überholen an, überschlägt sich und stürzt. Er verletzt sich lebensgefährlich und trägt schwerste Behinderungen davon.
Womöglich hat ein falsch sitzender Sturzhelm die Verletzungen noch verschlimmert – der Beginn eines verzweifelten Kampfes zwischen väterlichen Emotionen und strafrechtlichen Tatsachen. Denn die Ursache des tragischen Sturzes lässt sich nicht aufklären. Die Folge: Ein Strafverfahren gegen den Trainer wird eingestellt, weil eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nicht festzustellen war. Auf Grundlage der Ermittlungsakten lehnt die ARAG Sportversicherung (Schadenersatz-)Ansprüche gegen den Trainer ab.
Niedersächsische Ministerien sehen keine Zuständigkeit, da der Unfall außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Straßenverkehrsordnung stattgefunden hat. Eine Beurteilung der Situation sei aus Niedersachsen nicht möglich, heißt es in einer entsprechenden E-Mail.
Sportverbände und Politiker scheuen sich, die betroffene Familie zu unterstützen geschweige denn Verantwortung zu übernehmen – so das Empfinden von Bock: Zu sagen "Wir haben nichts damit zu tun" sei billig, verantwortungslos und unsportlich. Der Lauenauer fordert die Verantwortlichen des Sports auf, die rechtlichen Grundlagen und Sicherheitsanforderungen deutlich zu definieren.
Heute, fast fünf Jahre nach dem Schreckenstag, ist der Fall verjährt. Trotz zweimaliger Verlängerung der Frist sieht Bock davon ab, eine Klage einzureichen, um zivilrechtliche Ansprüche gegen den Trainer geltend zu machen. "Wir müssten die Kausalität herstellen, dass der grippale Infekt Schuld am Sturz war", erklärt der Vater, "und das können wir natürlich nicht."
Alle fünf konsultierten Rechtsanwälte legen ihre Mandate nieder – Einen Prozess hätte die Familie verloren, ebenso wie rund 60 000 Euro. Der Kommunale Schadensausgleich (KSA) Hannover zahlt einmalig eine Entschädigung in Höhe von 38 500 Euro. Die Frist für eine weitere Zahlung endet Mitte März. Aufgrund eines ärztlichen Gutachtens und der festgestellten Invalidität entscheidet der KSA, welche Restsumme noch gezahlt wird. Maxis Invaliditätsgrad liege derzeit bei 100 Prozent, so Bock.
Und trotz alledem ist Maxi das Lachen nicht vergangen. "Er ist nicht nur eine wahre Frohnatur, sondern auch ein großer Kämpfer", sagt Heinz-Henning Haake. Drei Stunden täglich ist Maxi Patient bei dem Psycho- und Rehabilitationstherapeuten sowie in der Ergotherapie seiner Frau. Dazu kommt drei Mal pro Woche Training im Reha- und Fitnesszentrum "MediFit".
Maxis Vater ist dankbar für jede Unterstützung: Alle behandelnden Ärzte, Therapeuten und die Krankenkasse BKK24 würden sich vorbildlich verhalten. Im Februar soll ein "Handbike" vor der Tür stehen.
Für den Vater ein wertvolles Therapiemittel, für den Sohn ein Traum. "Ich habe definitiv die Ambitionen, bei den Paralympischen Spielen dabei zu sein", verrät Maxi. Denn das Radfahren liebt er nach wie vor.Foto: privat/jl