"Der Sommernachtstraum" also: eine Komödie! Eine Komödie? Du liebe Zeit! Chaos prall, von Beginn an. Liebe will, aber darf nicht. Zerwürfnis oben, Malheur schlägt durch bis unten. Auch wenn suggeriert wird, dass dämonische Kräfte die Sinne der Menschen verwirren, so sind es immer die Menschen höchst persönlich, die Unheil stiften und geradezu expandieren lassen. Nur Unheil? Nein, auch Heil. Das wird am Ende gestiftet, und alle bis dahin arg Ramponierten liegen einander dann doch in den Armen derer, zu denen sie gehören.
Der Gang der Handlung kann es nicht sein, der die "Komödie" rechtfertigt. Es ist Shakespeares unübertreffliche Machart. Welcher Reichtum der Wörter! Welche Intensität der Gefühle! Welche Variabilität der Handlungsebenen. Und schließlich: Welches hochkarätige Konsortium an Darstellern von der Shakespeare Company Berlin: sechs an der Zahl, drei Damen, drei Herren, alle jung an Jahren, wie geschaffen, alle Handlungsebenen in gleitenden Übergängen vollendet zu bedienen.
Eben noch Liebende, dann Feen und Gnome, eben noch Handwerker, dann Fürst und Höfische. Und da ohnehin alles miteinander verwoben ist, reichen sechs aus, einen Guss aus derart disparaten Partikeln herzustellen. Welche Freude, das anzuschauen! Mit ohrenbetäubendem Lament betreten sie die Bühne, klimpern, klappern, scheppern, um auch den letzten Unhold zu vertreiben und Raum zu schaffen für ihren eigenen Schabernack. Wollen sie doch die Tragödie zweier Liebenden (Pyramus und Thisbe) auf höchst naiv-humorige Weise zur Hochzeit des Theseus mit Hippolyta einüben; und genau hier erobert die Komödie ihr Terrain. Aber kaum ist das geschehen, wechselt das Szenarium und die eben noch als Rüpel und Tölpel Agierenden verwandeln sich in Liebende, die einander wollen, aber nicht dürfen. Beseligend ihr Schwärmen füreinander im abgeschiedenen Dunkel der Nacht. Herzzerreißend wenn die Konkurrentinnen aus Liebe zu dem Einen ihre Zähne einander ins Fleisch beißen. Da vergisst man glatt, dass hier gespielt wird. Die Bretter sind die Welt. Ganz Shakespeare gemäß wird aus dem kahlen Raum heraus gespielt. Hier ein Stuhl, dort eine Trittleiter, das genügt. Windungsreiche Verrenkungen müssen her, wenn die Welt der Gnome und Feen suggeriert wird. Quietschende, quakende, greinende, grölende Töne irritieren die Opfer dieser dämonischen Kräfte. Und alles dies leicht und locker aus der Hüfte hervorgejubelt - wie gesagt - von sechs jungen Leuten. Welche Leistung bei diesem Schwall von Worten, ja Worten, nicht Wörtern. Alles ist so bedeutsam, alles wird so verstehbar und verständlich gebracht. Alles kommt einfach an, noch dadurch verstärkt, dass sich Damen wie Herren zwanglos unter das Publikum mischen, ja es aufmischen.
Wohl dem, der da war! Welch wunderbarer Auftakt einer Saison, die weiterhin viel Gutes verheißt, dies dank eines Winfried Busse.