1. Ägypten ist das religiöseste Land der Welt

    Mittagsgespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung / Liberale Bewegung ist gescheitert / 150 Besucher zu Gast

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    BÜCKEBURG (hb/m). Moderator Friedrich Pörtner konnte sich über 150 Besucher im bis auf den letzten Platz besetzten Le-Theule-Saal des Rathauses freuen, die der Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Mittagsgespräch gefolgt waren. Sie brauchten ihr Erscheinen nicht zu bereuen.

    Mit Dr. Andreas Jacobs war ein Insider vor Ort, der spannend und unterhaltsam über das Thema "Wohin steuert Ägypten" referierte. Der 43-Jährige hat Politik und Islamwissenschaft studiert und hat als Büroleiter der Adenauerstiftung in Kairo von 2007 bis 2012 die Entwicklung des Landes am Nil hautnah erlebt.

    Ägypten habe sich, so Jacobs, in der langen Zeit unter Mubarak von 1981 bis 2011 ein Image als liberaler autokratischer Staat aufgebaut und sei Partner des Westens gewesen. Es sei eine "Schein-Liberalisierung" gewesen. Viele Unternehmen gehörten dem Militär. Der Staat sei von einem informellen Netzwerk der Generäle geprägt. Das Militär ziehe die Fäden im Hintergrund, während Polizei, Sicherheitsdienst und 15 Unternehmerfamilien die Geschäfte des Landes führen. Dr. Andreas Jacobs beschrieb Ägypten als ein "bitterarmes Land, mit einer katastrophalen Bildungssituation und einer katastrophalen Infrastruktur". Ägypten sei das religiöseste Land der Welt. "Die Zeit unter Mubarak war eine verlorene Zeit", so der Referent.

    "Brot, Freiheit, Gerechtigkeit" seien die Ursachen für den Umbruch im Jahr 2011 gewesen. Niedrige Löhne, steigende Preise, eine Vergabe von Jobs ausschließlich durch Beziehungen und die tägliche Unterdrückung der Menschen durch Polizei und Geheimdienst hätten zu dieser Situation geführt. Revolution oder Putsch im Februar 2011? "Es war eher ein organisierter Militärputsch", beantwortete Jacobs diese Frage. Es habe im Militär eine Unzufriedenheit über Machtansprüche der Mubarak-Familie gegeben. Es sei ein "Putsch zum Systemerhalt, nicht zum Systemwandel" gewesen.

    Schwierig ist nach den Worten von Dr. Andreas Jacobs die Übergangszeit von März 2011 bis Juni 2012 gewesen, mit Streit um die Verfassung, Schwierigkeiten bei der Vergangenheitsbewältigung und Machtkämpfen zwischen Militär und Muslimbrüdern. Die liberale Bewegung habe es nicht geschafft sich zusammenzuschließen und sei gescheitert.

    Stabilität und Sicherheit, Jobs und Perspektiven, Minderheitenschutz und Rechtssicherheit bezeichnete Jacobs als politische Herausforderungen. Bei den Christen und den liberalen Ägyptern gebe es Ängste wegen der Islamisierung und des Auftretens der Salafisten als politische Partei.

    Die weitere Entwicklung Ägyptens sei offen. Wünschenswert wäre, wenn sich alternative politische Akteure behaupten, die Unternehmen mit dem Staat kooperieren und das Militär sich im Hintergrund hält. Foto: hb/m

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