OBERNKIRCHEN (wa). Kurz hält sie inne. Nimmt die Schutzbrille ab und streift sich mit dem Arm über ihre, durch den Sandstein weiß gepuderte, Stirn. Das Kunstwerk, Hammer und Meißel ruhen, während Petra Lange nun mit einem Besucher plaudert. Über ihre Lippen kommen dabei aber keine deutschen Worte. Seit 27 Jahren lebt die gebürtige Dortmunderin in Italien. Hier auf dem Kirchplatz hat sie gerade einen "Landsmann" getroffen. So soll es sein, das Internationale Obernkirchener Bildhauer-Symposium bietet Raum für Kunst, aber genauso für Gespräche mit Interessierten.
"In der Stadt herrscht richtig südländisches Flair, eine einzigartige Atmosphäre", sagt Renate Külb die gerade mit Ehemann und Freunden bei einer Tasse Kaffee am Trafo-Haus sitzt. Vor allem nachmittags ist das als Künstlercafé hergerichtete kleine Bauwerk voll besetzt. Alle wollen sehen, was die insgesamt elf Künstler innerhalb von 14 Tagen erschaffen. "Es gibt zurzeit nichts Schöneres im Kreis".
Wer über den Kirchplatz schlendert hat viel zu gucken. Überall wird gemeißelt, geflext und sogar gebohrt. Ralf Ehmanns Kunstwerk, ein überdimensionales Gesicht, ist schon deutlich erkennbar. Ein paar Schritte weiter kämpft Gudrun Schuster mit dem Steinbohrer. Das schwere Gerät ist laut, es staubt. Aus einem großen Klotz Sandstein gestaltet sie einen Gummibären, einen "romantischen Bildstock" wie sie auf Nachfrage erklärt. Bildstöcke kennt der Laie als Säulen für religiöse Reliefs oder Figuren. Die Rheinländerin hat sich jedoch für ein besonders possierliches Tierchen entschieden. "Ich hinke ein bisschen hinterher, aber es wird", sagt die Künstlerin. Sie hatte bereits am Montag ein Körnchen Sandstein ins Auge bekommen und musste am nächsten Tag erst einmal zum Arzt.
Aber nicht nur Schuster ist mit einer großen Schutzbrille ausgerüstet, auch die Jung-Bildhauer in ihrer Bauhütte schauen durch große Gläser. Gemeinsam mit Kai Kandziora werkeln sie an kleinen Reliefs auf einem großen Stück Sandstein. Ihre Motive sind die Werke der letzten Symposien. "Wir machen das weil es interessant ist und für das Schwimmbad", sagt die elfjährige Lorena Keller. "Danke -brinkbad" (die Sonne ist als solche abgebildet) steht auf ihrer Steinplatte. Freundin Hannah Hellmann wischt sorgsam mit einem nassen Schwamm über das Gemeinschaftswerk. "Das ist toll für die Kinder, sie können zwischendurch rumgehen und schauen wie es die Großen machen. Die sind richtig ausdauernd bei der Sache", sagt Kandziora.
Der gebürtige Schaumburger betreute in den fünf Tagen rund 150 Kinder, die Spaß an der Bildhauerei haben. Eine weitere Lokalmatadorin ist Tanja von Triller. Drei Gürteltiere sind auf ihrem Relief zu erkennen. "Das kommt dabei raus, wenn man mit Publikum arbeitet", sagt die Stadthägerin.
Für die Künstler ist es eine Entdeckungsreise. Die Besucher lassen sich darauf ein und werden zu ihren Passagieren. Der Kirchplatz lebt. "So jetzt muss ich aber weiter machen", sagt die Wahl-Italienerin Petra Lange. Setzt ihre Schutzbrille auf die Nase und den Hammer wieder auf den Sandstein. Foto: wa