Diese Frage stellte Bildungsministerin Schawan unlängst in der Bückeburger Stadtkirche. Die Antwort darauf, die jedem spontan einfällt ist einfach: Lesen, natürlich! Eigentlich sollte Bildung nicht Bildung, sondern Lesung heißen. Aber mal ganz ehrlich, lesen Sie gerne ein Buch? Oder meinen Sie wie viele, die dem geschriebenen Wort nie etwas abgewinnen konnten, dass lesen etwas sei, das anderen Leuten zustößt? Mit dieser Einstellung würden Sie jedoch nicht bis hierher gelesen haben.
Lesen war in vergangenen Zeiten immer das Privileg der betuchten Schichten. Nur Menschen, die nicht zehn Stunden täglich für das karge Brot schuften mussten, hatten die Muße zu lesen. Das spiegelte sich auch auf der soziologischen Ebene wieder: Man ging in den literarischen Salon. Meist waren es die Damen der monetär gut bestellten Gesellschaft, die diese Salons führten. Wer die besten Dramatiker zu Besuch hatte, dessen Salon war in. Hier wurde aber nicht nur gelesen, auch Musiker, Wissenschaftler und bildende Künstler wurden eingeladen und durften auf einen Mäzen hoffen. Sogar heute noch sind einige der literarischen Salons der Vorkriegszeit, wie der der Caroline Schelling, legendär.
Gegenwärtig leben in der monetär besser bestellten Schicht viel mehr Menschen, als je zuvor in der Geschichte Deutschlands. Aber wo ist dieses Interesse von einst an der Literatur geblieben? Wo sind die Menschen, die durch den Kauf eines Buches, das nicht viel Geld kostet, die Dichter und Denker unserer modernen Zeit unterstützen?
Ein musikalischer Abend begeistert die Menschen sofort und oft sind Konzerte schnell ausgebucht. Aber ein literarischer Abend? Meist bleiben die Stühle in den Autorenlesungen leer oder sind von wohlwollenden Angehörigen besetzt. Wenn dann in der Zeitung im Bericht über dieses Event zu lesen ist, es sei ein ganz besonderer Abend mit viel Flair aber ohne großes Publikum gewesen, ärgern Sie sich, nicht auch dort gewesen zu sein?
Dabei bildet Lesen nicht nur die Kleinen sondern vor allem auch die Großen! Dazu gibt es einen wunderbaren Nebeneffekt: Kinder lernen am Model. Das Model ist aber immer zuerst die Mutter oder der Vater. Lassen sie sich von Ihrem Kind doch ruhig einmal mit einem dicken Buch, der Zeitung oder einem Magazin vor der Nase erwischen. Es wird lernen. Und wenn Sie dann noch erzählen, sie hätten den Autor oder die Autorin, die dieses dicke Buch geschrieben hat, persönlich getroffen, wird der Nebeneffekt umso spannender sein. Wenn Sie das nächste mal also in der Vorankündigung ihrer Zeitung lesen, dass eine Autorenlesung in der Nähe stattfindet, gehen Sie ruhig hin, denn eins kann man nie genug sein: Belesen!
Anette Gräfe