RODENBERG (pd). Es gibt Geschichten, die scheinen für die Realität viel zu kitschig und einfach zu schön, um wahr zu sein. Doch das, was der Rodenberger Jörg Wehrhahn zu erzählen hat, ist tatsächlich passiert. Mit einer Stammzellenspende rettete er quasi einer jungen Österreicherin das Leben. Bei seiner Hochzeit stand Alexandra Ubl als Trauzeugin neben ihm und seiner Ehefrau Andrea. Eine wunderschöne Geschichte, die es einfach wert ist, erzählt zu werden, findet auch das Schaumburger Wochenblatt.
Anfang der 90er Jahre startete im VW Werk in Hannover eine große Stammzellen-Typisierungs-Aktion. Der Hintergrund: Ein VW Mitarbeiter war an Leukämie erkrankt und die Werksleitung organisierte und finanzierte die Spendenaktion. Jörg Wehrhahn aus Rodenberg, beschäftigt beim Autobauer, reihte sich ein in die lange Schlange von Kolleginnen und Kollegen, die dem Schwerkranken helfen wollten. Für den kam die Hilfe dann leider zu spät, doch die Daten der Spender blieben natürlich gespeichert.
Das war das große Glück für Alexandra Ubl, die Ende 2005 schwer erkrankt. Ihre Diagnose " Myelodysplastisches Syndrom (MDS). Dieser Begriff bezeichnet eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen es zu einer Störung der Ausreifung einzelner Blutzelllinien kommt. Dabei treten vermehrt unreife Zellen im Knochenmark auf, unter denen die normale Blutproduktion leidet. Eine mögliche Heilungschancen versprachen sich die Ärzte durch eine Stammzellen-Spende. Die Wartezeit auf einen "passenden" Spender verbrachte die damals 37-Jährige auch damit, sich grundsätzlich darüber klar zu werden, ob sie eine solche Transplantation überhaupt wollte. Außerdem musste sie alle 14 Tage eine Bluttransfusion über sich ergehen lassen, um die schon zu diesem Zeitpunkt erheblichen Einschränkungen ihrer Gesundheit überhaupt einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Im Oktober 2006 kam die Nachricht "Ja, wir haben einen Spender". Und zugleich war Alexandra Ubl sicher "Ich will das machen!" Die Zeit des Wartens, der anstrengenden Bluttransfusionen und die Zweifel über ihre Zukunftsaussichten hatten sie schon zermürbt. "Es musste einfach etwas geschehen", erinnert sie sich noch genau an die Tage damals.
Aufgrund der verlässlichen Daten in der Deutschen Knochenmark-Spenderdatei (DKMS) war Jörg Wehrhahn aus Rodenberg als Spender ermittelt worden. Bei Alexandra Ubl in Österreich stellten sich Komplikationen ein. Sie musste noch eine Gallenblasen-Operation hinter sich bringen und wurde zunehmend schwächer. Die Zeit drängte. Die Nachricht von einem "genetischen Zwilling" gab Ärzten und der Patienten wieder Grund zu verhaltenem Optimismus.
Der Spender wurde auf die Entnahme der so wichtigen Stammzellen vorbereitet. "Meine Vitalwerte waren zum Glück in Ordnung. Das wurde bei aufwändigen Untersuchungen an drei Tagen in der Medizinischen Hochschule ermittelt" erinnert sich Wehrhahn an den Jahreswechsel 2006/2007. In einer mehr als fünf Stunden dauernden Prozedur wurden ihm dort die Stammzellen entnommen. Am 9. Februar 2007 war es für Alexandra Ubl dann endlich soweit. Sie bekam die wichtigen Blutzellen übertragen. Und musste dann sechs Wochen isoliert in einem sterilen Zimmer im Krankenhaus verbleiben. Die bange Frage für alle an diesem Prozess beteiligten lautete immer "Gibt es Abstoßungsreaktionen, hält das Körper das aus?"
Es kam zu Komplikationen, die Stimmungslage von Alexandra Ubl wechselte von "Himmelhochjauchzend" in "total zermürbt und müde". Sie war sehr niedergeschlagen. Ihr Spender in Deutschland dagegen erholte sich schnell von der Prozedur des Spendens. Und auch die Österreicherin konnte langsam wieder optimistischer in die Zukunft blicken. Und hatte vor allem einen Wunsch: Den Namen ihres Stammzellenspenders zu erfahren. In Österreich werden die Daten fünf Jahre lang unter Verschluss gehalten.
Im Februar 2011 war diese Frist vorbei und Alexandra Ubl ließ sich nach einem Blutcheck im Wiener Allgemeinen Krankenhaus die Adresse und die dazugehörige Telefonnummer ihres Spenders geben. Sie erinnert sich noch genau an den Verlauf des Telefonats nach Rodenberg. "Da war Jörgs Sohn Claas am Telefon und der wusste auch gleich etwas mit meinem Namen anzufangen", beschreibt sie weiter. Für Ostern wurde ein erstes Treffen in Österreich verabredet. Auf beiden Seiten war die Sympathie gleich groß. "Es war so, als würde ich schon immer zu dieser Familie gehören", beschreibt es Alexandra Ubl.
Dass sie bei der Hochzeit von Jörg und Andrea Wehrhahn vor wenigen Wochen als Trauzeugin fungieren sollte, erfuhr sie erst kurz vor dem wichtigen Termin. "Das war schon eine besondere Überraschung und Ehre für mich". Mit ihrem Bruder war sie ein langes Wochenende in Rodenberg zu Gast, erlebte die schöne Trauung in Apelern und eine tolle Party mit der gesamten Nachbarschaft, Freunden und Verwandten oben Auf der Kammer. Und genoss sichtlich nicht nur die Tatsache, ihre schwere Krankheit überwunden zu haben, sondern auch so etwas wie neue Familienmitglieder gewonnen zu haben. Eine wahre Geschichte, die das Leben geschrieben hat. Foto:pd