1. Auf lange Tour mit Stenz und Bündel

    Soldorfer geht für drei Jahre auf Wanderschaft / Abschied von Familie und Freunden am Dorfrand

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    SOLDORF (al). Erst klettert er behände über das Ortsschild; dann marschiert er mit zwei Kumpels davon, ohne sich noch einmal umzudrehen: Für den 25-jährigen Dennis Röver aus Soldorf hat der wohl abenteuerlichste Zeitabschnitt seines bisherigen Lebens begonnen: Für drei Jahre und einen Tag ist er auf der "Walz".

    Die Wanderschaft von Handwerkern, um nach der Ausbildung in der Fremde weitere berufliche Erfahrungen zu sammeln, ist heute selten geworden. Doch Dennis hatte schon während seiner Lehrzeit als Bauzeichner und Maurer die Idee.

    Hinzu kam der Kontakt zu anderen Meistern und Gesellen in den vergangenen Jahren, die über eigene Erlebnisse berichteten. Irgendwann reifte der Entschluss, den er seinen Angehörigen mitteilte: "Ich will auch auf Tour gehen." Dabei könnten längst andere von ihm etwas lernen.

    Denn der 25-Jährige gilt als Experte für Lehmbau, hatte zuletzt bei der Restaurierung der örtlichen Schule mitgewirkt und hier sogar schon wiederholt Praxisseminare geleitet.

    Zunächst schloss er sich dem "Schacht der Rolandsbrüder" an, um einen reisenden Kollegen zu finden, der ihn "auf den Weg bringt". So will es die Tradition der Tippelbrüder.

    Ein erfahrener Kamerad begleitet ihn in der Anfangszeit, bringt ihm wichtige Tipps bei und beurteilt auch, ob der Neuling überhaupt die nötigen Voraussetzungen mitbringt, die vorgesehene Wanderzeit durchzustehen. Erst nach erfolgreicher "Probezeit" darf er die "Ehrbarkeit" erlangen und eine Art blauen Schlips und den Ohrring mit dem Zunftzeichen tragen.

    In der Zwischenzeit musste er sich auch nach einem geeigneten Knotenstock umsehen, den er schließlich in der Nähe der Rodenberger Windmühle fand und sorgfältig entrindete. Als "Export" stand der Tischlergeselle Julian aus Halle (Westfalen) bereit. Dieser traf zusammen mit dem Zimmerer David aus Plauen in der Soldorfer Gaststätte Wichmann ein. Julian ist seit zwei Jahren, David seit einem Jahr unterwegs. Zunächst musste Dennis sein Bündel schnüren.

    Das nur etwa 80 mal 80 Zentimeter große Tuch enthält Ersatzkleidung und das nötigste Handwerkszeug. Das Handy musste dagegen zu Hause bleiben. Vor der Abreise schauten sich die fremden Gesellen noch in der Alten Schule Soldorf um und widmeten sich einer ausgiebigen Abschiedsfeier. Am anderen Morgen wurde es ernst: Am Soldorfer Ortschild übergab Bürgermeister Heinrich Oppenhausen noch eine Anstecknadel mit dem Apelerner Wappen.

    Dann musste Dennis nur mit Hilfe seines "Stenz" (dem Knotenstock) ein 80 Zentimeter tiefes Loch graben, in dem eine Flasche und die zu Papier gebrachten Wünsche seiner Lieben versanken. Danach kletterte er über das Ortsschild: Der Weg begann.

    Wenn er die strengen Regeln des Schachtes einhalten will, darf Dennis frühestens Ende Juli 2015 wieder vor der gelben Tafel stehen. Dann dürfte er eine Menge zu erzählen haben.

    Foto: al/p

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