STADTHAGEN (nb). Hier ein Tritt, da ein gemeiner Spruch und schnell eskaliert die Situation, wenn niemand zur Stelle ist. Das Theaterprojekt unter dem Dach von "Stadthagen braucht Zivilcourage" soll helfen, die Wahrnehmung zu schärfen und sich selbst zu behaupten. An das Thema Beherztheit geht es hier gleich von zwei Seiten: Nicht nur die thematische Auseinandersetzung ist das Ziel, gleichzeitig soll durch schauspielerische Übungen das eigene Selbstbewusstsein gestärkt werden, um reagieren zu können, wenn es darauf ankommt.
Petra Henniger von Wallersbrunn, Schulleiterin und Stagecoach, arbeitet daran Schulen und Schulformen übergreifend, um Erfahrungen aus unterschiedlichen Lebenswelten miteinander in Kontakt zu bringen und beim Theaterspielen zu kombinieren. Schüler des Kurses "Darstellendes Spiel" des Ratsgymnasiums, der Hans-Christian-Andersen- und der Schule am Schlosspark machen mit und treffen sich regelmäßig zu gemeinsamen Proben. Dabei steht das Kennenlernen ebenso auf dem Stundenplan wie Improvisationsübungen, Körper- und Stimmtraining, ein paar Taktiken und Techniken. "Aus meiner Erfahrung hilft das auch dabei, die Persönlichkeit zu entwickeln und selbst in einer Gruppe Verantwortung zu übernehmen", so die Schauspielerin. Aus typischen Situationen werden szenisch "Theaterbausteine" entwickelt, deren Ausgang offen ist und Alltagssituationen zeigen sollen, wie sie jedem Schüler tagtäglich begegnen können, ob in der Bahn, vor der Bushaltestelle oder in jeder Straße. Eigene Erfahrungen hatte in dieser Richtung nahezu jeder gemacht. Durch genaue Beobachtung und den Wechsel der Perspektiven beim Spiel setzen sich die Projektteilnehmer intensiv und differenziert mit der Thematik auseinander und analysieren auch die möglichen Gründe, die hinter dem Nicht-Helfen stehen können. Die Theaterpädagogin sieht sich dabei auch in der Rolle eines "Lifecoach", der über die Theaterarbeit das nötige Handwerkszeug vermittelt und . Innere Lähmungen, die im Ernstfall auch die Hilfsbereitschaft blockieren können, sollen beseitigt werden. Jeder hat die Chance zu Wort zu kommen und mit jedem Mal lassen sich die Teilnehmer mehr auf die Sache ein, werden offener für andere, nehmen sensibler wahr und entwickeln Gefühl und Timing für Situationen und spüren Grenzüberschreitungen schnell auf. Neugier zog auch Gäste zum letzten Workshop im Chorsaal des RGS. Der schuleigene Theaterkurs als auch die Mädchengruppe der türkisch-islamischen Gemeinde Stadthagen wollte sich ein paar Anregungen holen, letztere für ein eigenes Projekt. Zehn bis 15 junge Frauen treffen sich einmal wöchentlich in der Moschee. Auf das aktuelle Zivilcourage-Projekt aufmerksam geworden, haben sie sich dazu entschlossen, ebenfalls einen Beitrag zu leisten. "Das ist ein Thema, das uns allen täglich begegnet und da können auch wir etwas tun", so Mitglied Maide Yabas, 17 und Schülerin der IGS Schaumburg. Was ihr und Freundin Hilal Kahraman von der Schule am Schlosspark, 16, besonders wichtig ist: "Man denkt immer das sind die "Ausländer", die das machen. Wir möchten diese Klischees einfach abbauen und zeigen, dass wir dagegen sind." Sie erhoffen sich, so Jugendliche wie Erwachsene aufmerksam zu machen. Ziel des Theaterprojektes von "Stadthagen braucht Zivilcourage" ist laut Stadtjugendpfleger Ralf Cordes das Fördern der Zusammenarbeit, der verschiedenen Schulen, Träger, Beratungsstellen, der Jugendarbeit und Verwaltung. Das Theater scheint das richtige "Mittel zum Zweck" zu sein. "Mit Theater kriegt man alle, scheinbar ist es der Wunsch eines jeden Menschen, etwas anderes mit sich zu erleben. Man kann alles spielen und alles sein", so Henniger von Wallersbrunn. "Die gesamte Idee fällt auf fruchtbaren Boten", formuliert RGS-Theaterlehrer Harald Ruprecht seine Zustimmung, "sie wird von den Schülern als wertvoll angesehen und es verlangt ja schon allein Zivilcourage, an eine fremde Schule zu gehen". Während der Zivilcourage-Aktionswochen vom 1. bis 14. Oktober stellen die Schüler und die türkisch-oslamische Mädchengruppe ihre Ergebnisse aus einem guten halben Jahr Arbeit der Öffentlichkeit vor.Foto: nb