LANDKREIS (hb/m). Leider profitieren nicht alle Menschen von der florierenden Wirtschaft, ordentlichen Renditen der Betriebe und der Tatsache, dass Deutschland Export-Weltmeister ist. Diesen Zustand hat die SPD Schaumburg zum Anlass genommen, zu einer Podiumsdiskussion nach Stadthagen in das "Gasthaus Bruns" einzuladen. Fazit nach zwei Stunden: Die SPD will gemeinsam mit den Gewerkschaften für eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt kämpfen.
"Mit der Globalisierung der Märkte vor 20 Jahren sind drastische Veränderungen eingetreten", meinte Karsten Becker, Vorsitzender der SPD Schaumburg. Der Landtagskandidat erinnerte an den Verlust vieler Arbeitsplätze allein in Stadthagen durch die Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland, so beispielsweise Flohr Otis und Alcatel. Zurzeit seien über 20 Prozent aller Arbeitnehmer in prekären Arbeitsverhältnissen tätig. Damit sind Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen gemeint, die oft nicht auf Dauer angelegt sind, keine Absicherung durch die Sozialversicherung und nur geringe arbeitsrechtliche Schutzrechte aufweisen. Allein etwa 7,3 Millionen Menschen haben laut Karsten Becker einen Mini-Job und damit auch ein Mini-Einkommen. Problematisch sei es auch, dass immer mehr tarifliche Beschäftigungsverhältnisse in sogenannte "Werkverträge" umgewandelt werden, bei denen oftmals nicht einmal der Mindestlohn gezahlt werde. Ein Jahr Arbeit in einem Mini-Job bringt dem Arbeitnehmer eine Rente von 3,11 Euro; nach 45 Jahren käme der Beschäftigte auf eine Rente in Höhe von 139,45 Euro. "Die Menschen brauchen soziale Perspektiven, sonst werden sie anfällig für extremistische Tendenzen", sagte der heimische Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy. Er räumte ein, dass auch während der SPD-Regierungszeit die Weichen falsch gestellt worden sind.
Hubertus Heil, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, erinnerte daran, dass die damalige große Koalition zu Beginn der Krise schnell und gut reagiert habe. Es sei besser, Arbeit als Arbeitslosigkeit zu finanzieren. "Schlecht ist es, dass das Arbeitsvolumen nicht gestiegen ist, zusätzliche Arbeit prekäre Arbeit ist", so Heil. "Wir brauchen gerechtere und fairere Regelungen am Arbeitsmarkt", fordert der Bundestagsabgeordnete. Zeit- und Leiharbeitnehmer seien ein Mittel zum Abbau von Auftragsspitzen der Unternehmen gewesen, heute sei es ein Instrument zum Lohndumping geworden. "Da haben wir Mist gebaut, haben die Missbrauchsmöglichkeiten unterschätzt, die sogenannten christlichen Gewerkschaften haben die Tarifverträge unterlaufen", meint Heil rückblickend und fordert, "dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz novelliert wird."
Steffen Holz, Regionssekretär DGB Niedersachsen-Mitte, bezweifelt, dass "die SPD mit einem Kanzler Steinbrück eine zukunftsweisende Politik hinbekommt", solange dieser sich als "glühender Verehrer der Agenda 2010 outet." Jürgen Bittner, Vorsitzender IG Metall Vertrauensleute Faurecia, beklagt die große Ausbreitung von Werkverträgen. Ziel sei es dabei, "die betrieblichen Interessenvertretungen vor Ort zu schwächen und auszuhebeln." Thorsten Gröger, IG Metall-1.Bevollmächtigter, prangert das intensive Ausnutzen von Rahmenbedingungen an, die auch von rot-grün geschaffen wurden. Es sei aber begrüßenswert, dass Fehler eingestanden wurden. "Ohne Glaubwürdigkeit gibt es keine Chance auf Mehrheiten", sagte er in Richtung der SPD-Abgeordneten. Foto: hb/m