1. "Da wurde nicht sensibel hingeschaut!"

    Edathy spricht über Rechtsextremismus und NSU-Untersuchungsausschuss

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    RODENBERG (al). Der Schaumburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des vom Deutschen Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschusses zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU), Sebastian Edathy, hat den Sicherheitsbehörden Versagen vorgeworfen. Vor rund 35 Zuhörern sprach er auf Einladung des Bündnis für Demokratie gegen Rechtsextremismus Rodenberg (BüRo).

    Der seit 1998 mit Schwerpunkt Innenpolitik tätige Parlamentarier habe nach eigenen Angaben "immer geglaubt, es gebe eine gute Sicherheitsstruktur" in Deutschland. Dieser Überzeugung sei er heute nicht mehr, da in diesem Zeitraum Rechtsterroristen von den Behörden unbemerkt hätten agieren können. Edathy bezog sich dabei besonders auf das so genannte "Zwickauer Trio", dem inzwischen zehn Morde, 15 Banküberfälle und wenigstens zwei Anschläge vorgeworfen werden.

    Es sei gut, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien, der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zugestimmt hätten. Der Aufwand seiner Mitglieder sei allerdings sehr groß: 3000 Aktenordner müssten durchgearbeitet werden; weitere 10.000 lagern beim Bundeskriminalamt und beim Verfassungsschutz. Bereits nach dem Studium der ersten Unterlagen habe er die Erkenntnis gewonnen, dass von den Behörden "nicht sensibel hingeschaut" und nach den Morden "ein rechtsextremer Hintergrund nicht geprüft" worden sei. Dabei habe es genug Hinweise gegeben, dass sich hinter den Anschlägen auf türkischstämmige Kleingastronmen mehr verberge als die lange Zeit nur vermutete Schutzgelderpressung. Edathy sieht reihenweise Kompetenzgerangel, persönliche Fehleinschätzungen, einen Mangel an Wahrnehmung der Gefährlichkeit, unterschiedliche Länder-Zuständigkeiten und damit verbundene geringe Kooperation sowie am Ende sogar "eine mangelnde Distanz zu den zu beobachtenden Objekten" als maßgebende Gründe an, warum sich der Rechtsextremismus unerkannt ausbreiten konnte. Selbst Hinweise des amerikanischen FBI, dass "rassistische Motive" den Morden zugrunde liegen würden, seien nach seinen Angaben nicht weiter verfolgt worden. Stattdessen hätten die Verfassungsschutz-Behörden in den vergangenen zehn Jahren 20 Prozent des Personals im Bereich Rechtsextremismus abgebaut, führende Politiker die Situation beschwichtigt. Nach der Enttarnung des "Zwickauer Trio" im November 2011 "war das Entsetzen in Politik und Behörden echt und klingt nach", glaubt Edathy, der sogar ein Lob für Bundesinnenminister Friedrich (CSU) für dessen "richtige Beschlüsse" übrig hatte.

    Dass Lauenau in die Schlagzeilen in Verbindung mit der NSU geriet, sieht Edathy als Zufall an: Der als mutmaßlicher Helfer in Untersuchungshaft befindliche Holger G. sei offenbar nur "aus privaten Gründen" in den Ort gezogen. Es gebe auch keine organisatorische Verbindung zu den Neonazi-Aufmärschen in Bad Nenndorf.

    Im Übrigen mache er der im Staatsbad gebildeten Gegenbewegung ein "Riesenkompliment": Es sei richtig, für den "Erhalt der Demokratie auf die Straße zu gehen".

    "Mit großer Sorge" betrachte er dagegen die Situation in Bückeburg. Dessen neonazistische Szene sei "sehr dramatisch", da von 84 in ganz Niedersachsen in 2011 registrierten Gewaltdelikten allein zehn auf diese Stadt entfielen.

    Der Abgeordnete bezog auch Stellung zu einem möglichen Verbot der NPD. Er befürworte dies unter anderem mit der Tatsache, dass selbst diese Partei durch Steuergelder finanziert werde. Hinzu komme, dass auch "die Rechten ein Demonstrationsrecht haben, so lange sie nicht verboten sind". Foto: al

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