BÜCKEBURG (hb/m). Mit dem Fürstentum Schaumburg-Lippe trat einer der kleinsten deutschen Bundesstaaten in den Ersten Weltkrieg ein. Die "Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts" entwickelte schnell ungeahnte militärische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen, deren Folgen bis in die Provinz reichten. Immer drückender wirkte sich der Krieg auf die verfassungs- und verwaltungstechnisch höchst unzeitgemäß ausgestaltete schaumburg-lippische Kleinstmonarchie und auf den Alltag der Menschen vor Ort aus.
Dr. Joachim von Meien (30), der in Magdeburg, Konstanz und Hannover Geschichte und Anglistik studiert hat, ist der Frage nachgegangen, warum es in Schaumburg-Lippe 1918 nicht zu einer aus der Bevölkerung initiierten und getragenen Revolution gekommen ist, die das Ende der Monarchie verlangt hätte. Schließlich seien viele deutsche Bundesfürsten mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden.
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen sind in dem Buch "Kleinstaat und Weltkrieg - Das Fürstentum Schaumburg-Lippe 1914-1918" auf 320 Seiten nachzulesen. Es ist als Band 71der Schaumburger Studien in einer Auflage von 500 Stück erschienen und von Dr. Stefan Brüdermann im Auftrag der Historischen Arbeitsgemeinschaft Schaumburg im Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld, ISBN 978-3-89534-901-0, herausgegeben worden. Das Buch kostet 29,00 Euro und richtet sich an "historisch interessierte Normalbürger". Lohn der zweijährigen Forschungsarbeiten ist für von Meien der Doktor-Titel gewesen. Das Projekt wurde von der Stiftung Sparkasse Schaumburg unterstützt.
Eine dramatische Ernährungskrise, die potentielle revolutionäre Tendenzen hätte verstärken können, ist laut von Meien im landwirtschaftlich geprägten Schaumburg-Lippe ausgeblieben. Es habe keine materielle Not geherrscht. Ein weiterer Grund sei die "ziemlich gemäßigte, beinahe staatstragend" geprägte Sozialdemokratie gewesen. Ihre charismatische Führungspersönlichkeit, der Stadthäger Gastwirt Heinrich Lorenz, habe am Hof verkehrt. Eine Abspaltung der Linken (USPD) hat in Schaumburg-Lippe nicht stattgefunden.
Während fast alle anderen deutschen Bundesfürsten sich einem militärischen Engagement komplett verweigerten, habe Fürst Adolf II. bis Ende 1917 sowohl an der West-, als auch an der Ostfront gekämpft. Adolfs Mutter, Fürstin Maria Anna, war innerhalb des Fürstentums in hohem Maße karitativ engagiert.
Die kleinstaatlich-ländliche Identifikation der Schaumburg-Lipper habe insofern politisch stabilisierend gewirkt, als man Sorge um die Folgen einer unkontrollierbaren Revolution hatte. "In der Not klammern sich Menschen an das Vertraute", so von Meien. Die Verbundenheit zur Heimat, der "enge Patriotismus" habe eine Zustimmung entscheidender Bevölkerungskreise zur Revolution verhindert. Foto: hb/m