LANDKREIS (nb). Das waren noch Zeiten, als der Schornsteinfeger Tag für Tag mit dem Drahtesel zum Kehren der Kamine ausrückte. Während Werner Schönbecks Lehrzeit in den 60-er Jahren gab es schließlich noch keine Dienstfahrzeuge.
Wenn der schwarz gekluftete Mann bei Wind und Wetter unterwegs war, musste der Auftraggeber im Winter oftmals erst Auftauhilfe leisten. "Da haben sie dich vom Fahrrad gehoben und du hast erstmal Kaffee gekriegt", so der Bezirksschornsteinfegermeister mit einem Augenzwinkern. "Oder denk mal daran, als du vom Dach gefallen warst und der Bauer dich im Heu gesucht hat", so der Einwurf von Ehefrau Rosemarie. Ebenso kniffelig war das "festfahren", wenn der Auszubildende im begehbaren Schornstein auf der zehn Meter langen Klettertour auf dem Weg nach oben plötzlich stecken blieb. Keine Kunst bei einem Querschnitt von etwa 50 Zentimetern. Zu seiner offiziellen Verabschiedung aus dem åKehrbezirk 511/Obernkirchen in den Ruhstand erinnerte sich der 63-Jährige an so manche Begebenheit zurück. Später, nach 1974, als das erste Bundes-Immissionsschutzgesetz in Kraft trat, tauschte er Besen gegen Messgerät. Seitdem hat sich im Handwerk viel verändert, nicht zuletzt durch die aktuelle Novellierung des Gewerkes, die zum 31. Dezember gültig wird.
Der Schornsteinfeger wurde Stück für Stück vom reinen Handwerker zum Dienstleister und Verkäufer, der den Kunden auch unangenehme Vorschriften und kostenträchtige Umbauten schmackhaft machen musste. Eine schwierige Aufgabe, als etwa die Hälfte aller Ölanlagen durch die Prüfung fielen. "Die ganze Nachbarschaft war oft eingerußt. Die Ölheizungen waren nicht eingestellt, da konnte man vorher nichts unternehmen", berichtet Gerhard Kahler, Obermeister der Schornsteinfeger-Innung Hannover, aus den Anfängen der Schutzverordnungen. Er wollte sich die Verabschiedung seines alten Freundes nicht entgehen lassen. "Er war wirklich ein sehr angenehmer Kollege, der seine Arbeit vorbildlich absolviert hat. Ich habe immer nur Gutes gehört", lobt Kahler. An diesen Anspruch hat sich Schönbeck auch in seinem ersten Kehrbezirk in Hildesheim gehalten, obwohl der gebürtige Schaumburger über den auferlegten Wechsel vom "Landfeger" in die Stadt mit ihren Eigenheiten gar nicht glücklich war, nachdem er gerade gebaut hatte. Umso mehr freute er sich, vor 22 Jahren in die alte Heimat zurückkehren zu können und dort einen Bezirk zu übernehmen. Heute ist die Situation wieder anders. Das Kehrmonopol ist aufgehoben, Hausbesitzer können "ihren" Schornsteinfeger künftig frei wählen und nach dem besten Dienstleistungs-Angebot entscheiden. Eine neue Wettbewerbssituation, der Schönbecks Nachfolger positiv entgegensieht. Der 33-jährige Tim Lichte qualifizierte sich mit der höchsten Punktzahl im Auswahlverfahren für den ausgeschriebenen Kehrbezirk. Er stammt aus einer nordrheinwestfälischen Schornsteinfegerfamilie und wurde so bereits im Kindesalter für den Beruf interessiert. Nach einer Zeit als angestellter Schornsteinfeger und ehrenamtlicher Vorstandsarbeit als Bildungsreferent im Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger kann Lichte nun seinen ersten Kehrbezirk in Angriff nehmen. Seinen Dienst hat er zum 1. März bereits angetreten, nur der offizielle Dienstausweis fehlte ihm seitens des Landkreises noch. Er sieht den Wettbewerb im Handwerk positiv: "Ich finde es eigentlich so besser. Früher waren die Grenzen enger gesetzt, heute kann man individueller gestalten", so Lichte. Vorgenommen hat sich Lichte bereits einiges, Frau und Familie wollen ihn dabei unterstützen.
Entscheidend, denn Frau Schönbeck weiß von dem einen oder anderen Heilig Abend zu erzählen, an dem es plötzlich klingelte und ihr Mann kurz vor der Bescherung zu einem Schornsteinbrand gerufen wurde. Das Ehepaar Schönbeck kann sich nun wieder ganz auf das Privatleben konzentrieren. "Reisen, reisen und reisen" mit dem Wohnwagen steht im Ruhestand auf dem Programm. Zusammen mit der neuen Aufgabe als Großeltern, wie Frau Schönbeck verriet, hat Langeweile kaum eine Chance. "Ich möchte die Zeit nicht missen", betont der Schornsteinfegermeister, "aber ich habe das richtige Alter". Mit guten Wünschen und einer Urkunde von Kreisreferentin Ursula Müller-Krahtz beginnt Schönbeck nun wieder einen neuen Lebensabschnitt. Foto: nb