STADTHAGEN (nb). Barrieren gibt es überall. Ein gutes Beispiel dafür, dass sich gemeinschaftlich etwas bewegen lässt, hat sich Landesbischof Doktor Karl-Hinrich Manzke während seiner Visitationstour durch den Landkreis angesehen. Anfang der Woche war er in Begleitung von Oberprediger Doktor Klaus Pönnighaus, Pastor Wolf-Peter Koech und Günter Hartung vom Diakonischen Werk im Familienzentrum Stadthagen zu Gast und informierte sich dort über Angebote, Hilfen und Schwierigkeiten der Einrichtung.
Im Gespräch mit Vertretern der kooperierenden Träger Stadt, AWO, Kinderschutzbund Schaumburg und dem Netzwerkpartner, der KIBA Kinderbetreuungsagentur, kamen verschiedene Aspekte zur Sprache. Die Mitarbeiter sehen die Stärke des Familienzentrums insbesondere in dessen Möglichkeit flexibel auf den Bedarf der Familien, Eltern und Kinder zu reagieren.
Ebenso wichtig seien die unterschiedlichen Zugänge, über die Familien des Landkreises erreicht werden. So unterschiedlich Zusammenhänge und Motivationen zur Kontaktaufnahme sind, in der Einrichtung treffen sie zusammen und bündeln sich. Alle Träger haben in den vier Jahren Zusammenarbeit eigene Angebote vorangebracht und immer wieder neue Projekte entwickelt. Dennoch gebe es in den Köpfen vieler Familien nach wie vor Hemmschwellen sich Hilfe zu suchen. Helga Freude, Leiterin des Familienzentrums, betonte dabei insbesondere die von Armut Betroffenen, ein zentrales Thema der Begegnung. "Familien leben am Existenzminimum, aber verbergen es aus Angst vor Stigmatisierung", so Freude. "Sie nehmen ein gesellschaftliches Problem als individuelles wahr." 22 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, etwa 6,3 Millionen Deutsche, seien heute bereits im Niedriglohnsektor tätig und trotz Berufstätigkeit nicht in der Lage die Familie durchzubringen.
Da diese Situation bis in den Landkreis zu spüren ist, wie Bürgermeister Bernd Hellmann bestätigte, werden die Mitarbeiter des Familienzentrums häufig mit dieser Angst konfrontiert.
"Das ist ein Thema, dessen wir uns mehr annehmen müssen", sagte Freude. Dass auch die Kirche sich in diesen Prozess stärker einbringen kann, brachte Ernst Kastning, Vorsitzender des AWO-Kreisverbandes vor. Er regte gegenüber dem Landesbischof an, die Landeskirche könne einen größeren Beitrag leisten und sich bei Problemen und Fragen besser positionieren. Erst wenn sich im Größeren, im Bewusstsein der Menschen etwas verändere, könne wieder etwas bewegt werden. "Ihr müsst eure Gelegenheit nutzen", so Kastning. Zudem könne die Zusammenarbeit mit wohltätigen und sozialen Verbänden intensiviert werden. AWO-Geschäftsführerin Heidemarie Hanauske schloss sich an. Es müsse eine Diskussion geführt werden über die Gesellschaft und wohin sich deren Werte entwickeln. Sie nutzte die Gelegenheit zudem für eine Mitarbeit im von der AWO gegründeten Sozialforum zu werben, dass Themen wie Kinderarmut und Prekarität aufgreift und in dem sich bereits die SIGA und die katholische Kirche engagieren. Landesbischof Manzke lobte die Arbeit des Familienzentrums und zeigte sich beeindruckt vom Mut der Stadt, die Einrichtung ohne weitere Förderung mitzufinanzieren. "Es ist klasse, dass das Früchte getragen hat." Er räumte ein, dass die Landeskirche in Sachen Familienzentrum die letzten zwei Jahre "vielleicht etwas geschlafen" habe, kündigte jedoch zugleich an, sich gegenseitig "stärker im Blick haben zu wollen" und die Zusammenarbeit zu vertiefen. "Davon können wir als Kirche mitnehmen, dass es sich lohnt zu kooperieren", so der Landesbischof. Er sprach eine Einladung an die Institutionen des Zentrums aus, am Jahresempfang der Schaumburg-Lippischen Landeskirche teilzunehmen, bei dem unter dem Schwerpunktthema "Bildung" soziale Aktivitäten innerhalb des Landkreises hervorgehoben werden sollten. "Ich denke da ist heute wieder ein wichtiger Baustein gelegt worden", so Hellmanns Schlusswort. Der Anfang für den Abbau innerer und äußerer Barrieren ist gemacht.Foto: nb