1. Die flatternde Unterhose am Fenster

    Szenische Lesung / Günter Barton mischt Wilhelm-Busch-Geburtshaus auf

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    WIEDENSAHL (em). Als nach der zweiten Zugabe erst Musikus Jens Lindenburger ganz vorsichtig das Lied anstimmte und dann Günter Barton einstieg, war auf der Diele des Wiedensahler Wilhelm-Busch-Geburtshauses schnell ein vielstimmiger Chor aus der Taufe gehoben: Mit dem gemeinsamen "Der Mond ist aufgegangen" ging eine szenische Lesung des Schauspielers zu Ende, die hinterher für manchen Diskussionsstoff sorgte.

    Dabei standen die großartigen Leistungen des Mimen und seines kongenialen musikalischen Assistenten nicht zur Debatte. Es ging vielmehr um "Die geheimnisvolle Ursache", ein Stück, in dem eine am Fenster flatternde Unterhose für Ungemach in der Nachbarschaft sorgt. Das nämlich konnten auch die eingefleischtesten Busch-Kenner nicht im Werk des Weisen aus Wiedensahl verorten. Mächtig stutzig machte dabei auch die eingeflossene Jahreszahl 1833. Ein Jahr nach seiner Geburt dürfte auch Busch diesen Schwank noch nicht zu Papier gebracht haben. Die Pointe allerdings, die deutlich machte, warum es mit Mathilde, der Tochter des Kanzleirates nichts werden konnte, löste allgemeine Heiterkeit aus. Daneben standen Buschs selbstkritische, stark autobiografische späten Bildergeschichten "Balduin Bählamm" und "Maler Klecksel" im Zentrum des immer wieder von musikalischen Sequenzen verbundenen Vortrags Bartons, der hier mit Brille so gar nicht an die Bösewichte erinnerte, die er in so vielen TV-Serien von "Praxis Bülowbogen" über "Unser Charly" bis hin zu den unterschiedlichsten "Sokos" immer wieder Charakter gegeben hat.

    Dazu gab es es manchen Busch-Reim und auch einige Prosa-Häppchen, die nicht zum Standardrepertoire vieler Vortragskünstler gehören, vom sach- und fachkundigen Publikum aber mit viel Beifall aufgenommen wurden. Das "Traurige Resultat einer vernachlässigten Erziehung" gehörte ebenso dazu wie "Eine Nachtgeschichte", in der sich hinter Ächzen und Stöhnen keine kriminelle Handlung verbirgt, sondern die Kümmernisse beim Ausziehen zu enger Stiefel. In der fast zeitgleich wie Buschs Millionenseller vor knapp 150 Jahren erschienene Moritat zur Erziehung erinnern die Namen mancher Akteure an Figuren aus "Max und Moritz". "Der unsichtbare Schäfer" und "Der harte Winter" in der ersten Zugabe waren weitere Beispiele dafür, dass Buschs Lyrik eigentlich immer dann ganz besonders tief geht, wenn er den sarkastischen Humor in den düstersten Farben schillern lässt. Zum Hochgenuss des Abends gehörten aber auch die bisweilen eigenwilligen Arrangements deutscher Volkslieder sowie bretonischer und irischer Traditionals des Langbart-Trägers Lindenburger, die die gelungene Textauswahl Bartons, der dazu mit sehr wandlungsfähiger Stimme für unterschiedliche Charaktere überzeugte, verbanden. Drehleier, altdeutscher Dudelsack und mindestens zehn verschiedene Föten sorgten für höchst spannende Tonfolgen.

    Foto: privat

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