LANDKREIS (jl). Eine Herausforderung für alle Tierschützer: Katzen vermehren sich immer weiter nach Lust und Laune. Und die ist groß. Die internationale Tierschutzorganisation "VIER PFOTEN" schätzt, dass in Deutschland bereits heute zwei bis drei Millionen Streunerkatzen leben. Der Grund sind unkastrierte Hauskatzen, die zum größten Teil, meist durch Aussetzen, verwildert leben oder deren Besitzer sie einfach nicht kastrieren lassen. Die Folgen: Unerwünschter Nachwuchs bleibt ebenfalls unkastriert auf der Straße oder landet in Tierheimen.
Diese Erfahrung müssen auch die Tierschützer in Schaumburg machen. Mit etwa 30 untergebrachten Katzen fährt der Tierschutz Rodenberg/Bad Nenndorf und Umgegend e.V. derzeit auf Niedrigstufe. Das ist aber nicht immer so. "Zur Hochsaison betreuen wir hier zwischen 50 und 70 Tiere", erklärt die Vereinsvorsitzende Jutta Schneider. Besonders das letzte und auch dieses Jahr seien "ganz schlimm" gewesen. Das gleiche Bild bei den Stadthäger Tierschützern: Im Sommer beherbergte das Tierheim zwischen 40 und 50 Katzen, womit die Grenze der Aufnahmemöglichkeiten erreicht war. Bei Katzen sei es weiterhin schlimm, auch wenn sich die Lage aus Krankheitsgründen gerade etwas entspannt habe, berichtet Vereinsvorsteherin Ursula Sturm. Der nächste "Boom" komme mit dem Frühjahr. Noch schlimmer sieht es im Tierschutz Bückeburg, Rinteln und Umgebung e.V. aus, wo sich die Katzensituation im Vergleich zum Vorjahr eher noch verschärft hat. Allein von November 2010 bis Mai 2011 hat die dortige Vereinsvorsitzende Monika Hachmeister gemeinsam mit einer Kollegin 144 Katzen eingefangen, kastrieren lassen und größtenteils wieder ausgesetzt, sofern eine Versorgung durch betreute Futterstellen gewährleistet war. Derzeit würden rund 150 verwilderte Hauskatzen auf diese Art gefüttert. "Jedes Jahr denken wir: Schlimmer geht es nicht mehr. Und jedes Mal werden wir eines Besseren belehrt", klagt die Tierschützerin. Die Katzenschwemme nehme einfach kein Ende, das Tierheim sei hoffnungslos überfüllt.
Um das Problem der immer weiter anwachsenden Katzenpopulation einzudämmen fordern der Deutsche Tierschutzbund und "VIER PFOTEN" die Einführung einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen nach dem sogenannten "Paderborner Modell". 70 Städte und Gemeinden sind dem Beispiel von Paderborn bereits gefolgt.
In Schaumburg stehen die Tierschützer dem Vorhaben mit unterschiedlichen Meinungen gegenüber. Das "Paderborner Modell" sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, so Sturm vom Stadthäger Tierschutz, schließlich sei es vernünftig, alle Katzen chippen und kastrieren zu lassen. Der Durchsetzung gerade in solch einer ländlichen Gegend stünden sie und ihr Team aber sehr skeptisch gegenüber. Tierheimleiterin Kerstin Kassner fragt sich: "Wer soll und will die freilaufenden Katzen denn kontrollieren und vor allem wie? Auf einem Bauernhof muss man ja Glück haben, nicht gleich mit einer Heugabel wieder verjagt zu werden."
Die Tierschutzvereine Bückeburg/Rinteln und Rodenberg/Bad Nenndorf hingegen plädieren eindeutig für das "Paderborner Modell", um auch in der hiesigen Region eine Regelung zu finden. Während 2011 aufgrund der angespannten Situation der Tierheime wenig Zeit für eine intensive Auseinandersetzung blieb, wollen sich beide Einrichtungen im kommenden Jahr wieder verstärkt für eine Kastrationspflicht engagieren. "Ehe die Verordnung mir nicht den Rücken stärkt, sind mir die Hände gebunden", bemerkt Hachmeister. Auf einen Bauernhof komme sie nicht rauf, wenn der Bauer dies nicht will. Eher lache er sie aus und jage sie davon. Die Bad Nenndorfer Kollegin Schneider warnt: "Wenn die unkontrollierte Katzenvermehrung nicht eingedämmt wird, sieht die Zukunft schlimm aus." Bei den Politikern vor Ort stoße dieses Problem aber auf "taube Ohren".
Die leitende Kreisverwaltungsdirektorin Ursula Müller-Krahtz erklärte dazu auf Anfrage: "Eine Umfrage seitens des Amtes für Verbraucherschutz und Veterinärwesen bei den Städten und Gemeinden im Landkreis Schaumburg hat ergeben, dass zurzeit keine Problematik bezüglich anwachsender Katzenpopulationen gesehen wird." Daraus resultiere eine eher "kritische Einstellung" zum "Paderborner Modell". Die Tierärzte im Landkreis Schaumburg würden eine kontrollierte Katzenpopulation befürworten, sähen aber keine Möglichkeit, von den in der Gebührenordnung vorgesehen Kosten abzuweichen.
Der Landkreis verweist zwar auf "gutachterliche Äußerungen, die Katzenüberpopulationen als Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen beurteilen", und auf "Verunreinigung von Kinderspielplätzen und damit verbundener Infektionsgefahr für spielende Kinder". Zusammenfassend festzustellen sei aber, dass "die Notwendigkeit eines zwangsweisen ordnungsbehördlichen Einschreitens hier nicht gesehen wird". Gesetzt werden soll viel mehr auf Einsicht und freiwillige Maßnahme der Tierhalter, so die Kreisverwaltungsdirektorin. "Um dies zu fördern ist eine Abstimmung zwischen Kommunen und Tierschutzvereinen sicher sinnvoll. Hierzu sollten die Vereine zunächst eine gemeinsame Linie abstimmen." Foto: jl