SACHSENHAGEN (jo). "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist." Das wusste schon der französische Schriftsteller Victor Hugo. Und so spielten und trompeteten 21 Schüler der Gerda-Philippsohn-Schule am vergangenen Mittwoch mit leuchtenden Gesichtern und viel Puste die allseits beliebten Weihnachtslieder "Jingle Bells" und "Lieber, guter Weihnachtsmann" auf ihren kleinen, goldenen Trompeten, hölzernen Gitarren und technisch hoch ausgestatteten Keyboards. Bereits seit einem Monat kommen die Zweitklässler einmal in der Woche zusammen, um als Orchester gemeinsam zu musizieren.
Sich aufeinander einstellen , den Takt halten und darauf vertrauen, dass das Zusammenspiel am Ende funktioniert: Um dieses Klassenziel zu erreichen, werden die Sieben- und Achtjährigen neben ihrem herkömmlichen Musikunterricht zusätzlich von externen Lehrern der Kreisjugendmusikschule Schaumburg (KJMS) unterrichtet. Offenbar mit großem Erfolg: "Ihr seid eine super Mannschaft", lobte Lutz Göhmann, Leiter der KJMS, die Kinder im Anschluss an ihre weihnachtlichen Vorstellung und übergab Grundschuldirektorin Imke Herrmann kurzerhand eine bedruckte Tafel aus Kunststoff: "Musikalisch fördern wir bereits einige Kindergärten im Landkreis. Sie sind nun die erste Grundschule im Schaumburger Land." Die feierlich überreichte Plakette soll künftig, feinsäuberlich im Eingangsbereich der Schule aufgehangen, darüber informieren, dass die Einrichtung an der von der KJMS initiierten Aktion "Musikland Niedersachsen - Jedem Kind ein Instrument" teilnimmt. Im Vordergrund des Projektes steht die Leitphilosophie der KJMS, Menschen jeden Alters mit der akustischen Kraft der Musik vertraut zu machen und sie so zum selbstständigen Musizieren anzuregen. Und die Mitarbeiter der Musikschule gehen sogar noch einen Schritt weiter: Mit ihren, in die regulären Unterrichtszeiten integrierten, Musikstunden wollen sie den Grundschülern den Weg für eine möglicherweise lebenslange Beschäftigung mit Musik ebnen. "Gerade in Zeiten des stetig anwachsenden Medienkonsums ist es für Kinder eine wahre Freude, etwas selbst zu schaffen", erklärte Göhmann. Aus diesem Grund soll in der Gerda-Philippsohn-Schule irgendwann ein richtiges Schulorchester heranwachsen. Und nicht nur das: Musikalisches Verständnis entwickeln, kreative Bildung stärken und schöpferische Begabungen fördern, dies alles will die Musikschule mit ihrem Projekt erreichen. Vor allem Grundschulleiterin Imke Herrmann legt Wert auf den pädagogischen Aspekt: "Wir können die Kinder auf diesem Wege schon in jungen Jahren an Instrumente heranführen. Und letztlich fördern wir so auch den Zusammenhalt in den Klassen."
Nach nur vier Wochen gemeinsamen Musizierens ist Orchesterleiter Martin Nagel von der Arbeit mit den Grundschülern begeistert: "Ich habe in dieser kurzen Zeit wahrhaftig erlebt, dass die Kinder aufgrund ihrer Gruppenerfolge sehr viel sozialer miteinander umgehen und mehr aufeinander hören." Diese weitgreifenden, persönlichen Entwicklungen sind auch Herrmann nicht verborgen geblieben: "Für die Kinder ist das tägliche Üben und das gemeinsame Spielen auf ihren Instrumenten eine echte Herausforderung. Doch irgendwann lernen sie: Ich habe einen eigenen Platz in der Gruppe. Und vor allem: Ich bin Teil des Ganzen." Um Zwang ginge es bei der Aktion in keinem Fall, so Göhmann: "Wir wollen in unserem lehrplanunabhängigen, erweiterten Musikunterricht keinen Druck auf die Kinder ausüben. Daher gibt es auch keine festen Richtlinien wann welche Stücke einwandfrei sitzen müssen." Und Orchesterleiter Nagel fügte hinzu: "Ich hole die Kinder da ab, wo sie sind. Gemeinsam entwickeln wir uns auf diesem Wege weiter. Sobald wir die organisatorischen Möglichkeiten haben, wollen wir zusätzlich auch noch unsere Blockflötengruppe in das Gesamtorchester integrieren."
Die Kooperation zwischen der Grundschule und der öffentlichen Bildungseinrichtung soll planmäßig bis zum Jahre 2016 laufen. Doch Bildung kostet bekanntlich auch immer Geld. Und so werden die anfallenden Personalkosten derzeit zu fünfzig Prozent von dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur übernommen. Für den Rest müssen die Eltern der Schüler selbst aufkommen. "Wir stellen zwar die Instrumente kostenlos zur Verfügung", sagte Göhmann. "Langfristig gesehen hoffen wir jedoch auf Sponsoren zur Weiterfinanzierung der Aktion." Herrmann sieht der musikalischen Zukunft ihrer Schüler in jedem Falle optimistisch entgegen: "Da ist noch jede Menge Potenzial vorhanden."
Foto: privat