1. Die emotionale Sehnsucht nach Licht

    Lebendiger Adventskalender rückt die Bürger in der besinnlichen Zeit näher zusammen

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    Stern über Bethlehem: Als erste Stadt im Landkreis hat Obernkirchen im Jahre 1905 Strom geliefert bekommen. Im kleinen Trafohaus auf dem Kirchplatz wurde dieser auf Verbrauchsstärke heruntergespannt. Verwaltung, Magistrat und Bürger waren stolz, denn in ihren Straßen und Häusern brannte seitdem elektrisches Licht. Nun, 116 Jahre später sitzen die Obernkirchener genau in diesem historischen Trafohäuschen und knippsen wie selbstverständlich die Lampen an - oder auch aus. Denn beim Lebendigen Adventskalender am 13. Dezember, sollte nur Kerzenschein und das schwache Licht eines großen Pappsternes für festliche Stimmung sorgen. Die sehnsüchtige Erwartung und Begrüßung des Lichtes im Dunkel dieser Welt, das Erscheinen des "wahren Lichtes, welches jeden Menschen erleuchtet", ist ein großes Thema der Adventszeit. Der Gegensatz von Dunkelheit und Licht stehe für Schuld und Erlösung, sagte Rolf-Bernd de Groot, der an diesem Abend besinnliche Worte an alle Gäste richtete. Nicht immer begann die Adventszeit am ersten Dezember, früher wurde am 11. November, dem Martinitag, mit einer Lichterprozession zur Kirche ein sechswöchiges Adventsfasten eingeläutet. Der Martinitag war nicht nur ein wichtiger Feiertag, sondern auch eine Zäsur im Jahreslauf. An diesem Datum starteten oder erneuerten sich Dienstverhältnisse, jährliche Besoldungen wurden ausgezahl und die Bergleute erhielten ihre Deputatskohle um den Winter in warmem Zustand zu überstehen. Pacht- und Kornzinsen wurden damals meist in Form von einer Gans oder Ente bezahlt, die im Pfarrhaus den Festtag bereicherte. Diese Bräuche sind, wenn auch leicht abgewandelt, heutzutage noch zu finden. Beispielsweise das Festessen mit einer Martinigans oder Laternenumzüge der Kinder. Die vielen in der Adventszeit entzündeten Lichter bereiten auf die Ankunft Jesu Christi am Heiligen Abend vor. Niemand konnte diese Symbolik besser verstehen als die Bergmänner, die rund um Obernkirchen, noch bis vor 50 Jahren im Steinkohlebergbau beschäftigt waren. Hauer und Förderleute Untertage waren im Dunkel des Berges auf Licht angewiesen. Es musste ihren Arbeitsplatz erleuchten und diente der Orientierung. Bevor es Adventskränze und Weihnachtsbäume gab, war es in den traditionellen Bergbaugebieten Brauch, am 4. Dezember, dem Gedenktag der heiligen Barbara (Schutzpatronin der Bergleute) Zweige von Obstbäumen abzuschneiden. Diese sogenannten Barbara-Zweige wurden ins Wasser und an einen warmen Ort gestellt, damit sie pünktlich zur heiligen Nacht erblühten.

    "Heute haben wir Licht im Überfluss, können die dunklen Wintertage beliebig erleuchten und sie verlängern", so de Groot. Die Elektrizität wurde gerade mal vor etwas mehr als 100 Jahren erfunden. Das elementare Erleben von der bedrückenden Macht der Dunkelheit, die den Menschen lähmt und ihn zur Untätigkeit verurteilt, aber auch die Glück schaffende Erfahrung des heraufdämmernden Tageslichts und der Helligkeit kennen viele nicht mehr. Doch die Sehnsucht nach emotionaler Erfahrung von Licht verspürt jeder. Sie steckt in jeder zur Weihnachtszeit aufgehängten, leuchtenden Lichterkette im Fenster, an Häusern und Bäumen. Den Lichterskulpturen in Form von Elchschlitten oder Säcke schleppenden Weihnachtsmännern, die wahre Licht-Orgien feiern. Und so lauteten die Worte eines Anwohners am Kirchplatz in den Anfängen des 19. Jahrhundert auch ganz selbstverständlich "...das elektrische Licht, welches ich auf das herzlichste begrüße", als Antwort auf die Anfrage der Stadtverwaltung, ob an seinem Hause denn die oberirdische Stromleitung zum Trafohaus befestigt werden dürfe.

    Der Lebendige Adventskalender hat die Bürger wieder enger zusammengerückt. Es wurde zusammen gesungen, getrunken, gegessen, geredet und gelacht. Allein bei Familie Edler waren fast 60 Anwohner zu Gast, eine ähnliche Zahl fand sich vor der Stiftskirche ein. Foto und Text: wa

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