1. Oma Pinneberg oder Oma Lüneburg, das ist hier die Frage

    Die vorweihnachtliche Lieblingsgeschichte von Pastor Josef Kalkusch

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    er nimmt Oma? Die Frage ist doch die: Wenn Herbert und Helga Oma Pinneberg Heiligabend zu sich nehmen, dann müssen Gerda und Michael mit den Kindern zu Oma Lüneburg fahren - denn die kann man ja Heiligabend unmöglich allein lassen. In diesem Falle müßten dann Herbert und Helga Oma Pinneberg am ersten Weihnachtstag zu Gerda und Michael bringen und Oma Lüneburg nachmittags zum Kaffee besuchen. Nun sagt Michael, das sei alles dummes Zeug, weil: Herbert und Helga könnten doch die beiden Omas alle beide Heiligabend nehmen und sie am ersten Weihnachtstag an Michael und Gerda weiterreichen. Dann war das doch alles ein Abwasch.

    Aber Michael hat natürlich keine Ahnung, denn Oma Pinneberg und Oma Lüneburg zusammen: Das gibt ja Mord und Totschlag. Die haben sich noch nicht einmal auf der Beerdigung von Onkel Kalli guten Tag gesagt. Alles noch wegen der Affäre von Opa Erni, also Oma Lüneburgs verstorbenem Mann, mit dieser Garderobenfrau vom Schauspielhaus. Oma Pinneberg hat doch damals gesagt, dass Oma Lüneburg selber schuld ist, wenn ihr Mann fremdgeht, weil sie mit ihrem Dünkel, da muss ja der beste Mann... Aber das ist sowieso eine Geschichte für sich. Das Problem ist ja nun, dass Herbert sagt: Er will einmal in seinem Leben mit Helga, seiner Frau, allein Heiligabend feiern! "Einmal nur im Leben! Und gerade weil wir keine Kinder haben! Ist denn das zuviel verlangt!?" Deshalb hat er mit Helga einen Riesenkrach gehabt. Die hat richtig geheult und hat gesagt: Sie lässt ihre arme alte Mutter am Heiligen Abend nicht allein. Und auch nicht allein bei ihrem Bruder Michael, wo ihre Mutter nicht mal ein Glas Korn trinken darf! Und Weihnachten ist das Fest der Familie, hat Gerda geschluchzt, da gehören Eltern und Kinder zusammen. Und sie sei nun mal die Tochter ihrer Mutter!

    "Das hab ich ja auch gar nicht bestritten!" hat Herbert wieder dazwischengerufen. Und dann wieder Helga: Er sei es ja überhaupt gewesen, der keine Kinder gewollt habe. Und das rächt sich eben Heiligabend! Na schön, Herbert hat dann eingelenkt und gesagt: "Dann nehmen wir eben Oma Pinneberg Heiligabend zu uns, und dafür nehmen Gerda und Michael Oma Lüneburg, und am ersten Weihnachtstag machen wir Oma-Tausch. Und damit die beiden sich nicht begegnen, fahr ich mit Oma Pinneberg zur selben Zeit hier los, wie Michael mit Oma Lüneburg zu uns losfährt."

    Helga hat Gerda den Vorschlag am Telefon erklärt. Aber da war Gerda, also Michaels Frau, nun ganz außer sich. Ob sie vielleicht ein Altersheim wäre. Und was sie denn überhaupt mir Helgas Mutter zu tun hat, denn die ist ja nur angeheiratet. Und Michael hätte ja auch noch eine Mutter, und die müssen sie am zweiten Weihnachtstag in Maschen besuchen. Außerdem kommt am ersten noch ihre Freundin Susanne vorbei, die frisch geschieden ist, und die kann sie unmöglich ausladen, sonst nimmt die über Weihnachten noch Schlaftabletten. Und Herbert und Helga sollten sich überhaupt schämen, denn die haben ja ein Haus und könnten alle Omas und dazu noch Onkel Otto aus dem Heim zu sich nehmen.

    Helga hat natürlich zurückgeschlagen: Das ist eine Unverschämtheit! Wenn Gerda nicht so ein Luxusweibchen wäre und sich trotz der vielen Kinder mit Pelzen und Schmuck behängen würde, dann brauchten sie auch nicht mehr in dieser Genossenschaftswohnung zu hausen! Im übrigen aber: Oma Lüneburg will ja unbedingt dahin, wo die Kinder sind, also zu Gerda und Michael!! Wegen der strahlenden Kinderaugen, und das ist sowieso alles zum Verrücktwerden. Ja, das ist nun der Stand der Dinge, eineinhalb Wochen vor Weihnachten. Michael sagt: "Wenn man bedenkt, dass Oma Pinneberg ja schon völlig tüdelig ist und sowieso nicht mehr mitkriegt, wo sie eigentlich ist - das ist doch richtig ein gutes Zeichen für uns alle: dass wir uns so viele Gedanken um die Alten machen. Oder?" Quelle: Hans Scheibner, Wer nimmt Oma?, Ellert & Richter Verlag Foto: gi

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