1. Drei Jahre und einen Tag Besuchsverbot

    Zimmermann Jannes Keil geht auf die Walz / Große Verabschiedung mit Wandergesellen aus ganz Deutschland

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    MEINSEN (mh). "Da geht es hin", sagt Jannes Keil und zeigt auf die Felder am Ortsausgang von Meinsen. Die Richtung ist klar, wohin ihn der Weg führen wird, ist allerdings noch unklar. Drei Jahre und einen Tag geht der Zimmermann aus Feggendorf auf Wanderschaft, auf die Walz.

    Gemeinsam mit anderen Gesellen, mit Freunden und seiner Familie hat der 23-Jährige am vergangenen Wochenende im Haus Weichselland in Meinsen ein letztes Mal gefeiert. Zünftig und ausgiebig, denn schließlich verlangen die Regeln, dass er während der Wanderschaft einen Bannkreis von 50 Kilometern zu seinem Heimatort nicht betreten darf. "Das Schwierigste ist es, auf die Familie, die Freundin und den Freundeskreis zu verzichten", sagt der Wandersgeselle, der zudem auch auf Handy, I-Phone oder Computer verzichten muss.

    Auf der Wanderschaft gelten strenge Regeln und Traditionen, die zum Teil Jahrhunderte alt sind. Es dürfen heutzutage nur die auf Wanderschaft gehen, die ihre Gesellenprüfung bestanden haben und zudem kinderlos und schuldenfrei sind. Ehrbares Verhalten der Wandersgesellen ist Vorschrift. Schließlich sind sie auch auf die Hilfe der Mitmenschen angewiesen, zum Beispiel bei der Suche nach einem Schlafplatz oder bei der Suche nach Arbeit.

    Am Montag, dem 14. November, kam für Jannes Keil dann der erste und wahrscheinlich schwerste Schritt seiner Wanderjahre: Er war Zeit zum Abschiednehmen. Über 20 befreundete Wandergesellen sowie viele Freunde und Familienangehörige machten sich auf den Weg zum Ortsausgang in Meinsen. Einer alten Tradition folgend musste der zukünftige Wandergeselle erst einmal ein 80 Zentimeter tiefes Loch ("80 Zentimeter sind Bauvorschrift!") ausheben, um darin eine Flasche Hochprozentiges und eine leere Weinflasche mit Wunschzetteln zu vergraben. Als Werkzeug diente ein Löffel und ein Hammer. Derweil vergnügten sich die Wandersgesellen, die aus allen Teilen Deutschlands zu der Verabschiedung angereist waren. Neben Zimmersleuten waren auch Gesellen aus anderen Zünften dabei: aus dem Schneider-, dem Hutmacher- oder auch dem Segeltuchmacherhandwerk sowie Gesellen aus dem Bereich Steingewerke. Darunter auch Frauen und der derzeitige einzige Ofenbaugeselle auf Wanderschaft, sie alle feierten gut gelaunt den "neuen" Wandergesellen. So unterschiedlich ihr Handwerk auch ist, die Wanderschaft und ihre Gemeinschaft verbindet sie. Ihr weniges Hab und Gut verstauen sie alle in einem nur 80 mal 80 Zentimeter kleinen Tuch, kein Platz für großen Luxus. Die Walz verlangt den Wandergesellen und ihren Familien einiges ab. "Kopfmäßig geht es gut", sagte Birgit Keil, Jannes Mutter. "Herzensmäßig ist das heute richtig schwer. Die Ungewissheit, wie geht es ihm, wo ist er gerade, das wird das Schwerste." Telefongespräche mit der Familie sind verboten. Ohne Jannes wird es langweilig, da war sich auch seine kleine Schwester sicher.

    Für den Zimmermann stand als letztes noch das Überklettern des Ortsschildes an. Unter lautstarker Anfeuerung gelang es ihm, auch diese Hürde zu nehmen und die Ortsgrenze zu überschreiten. Ziele hat sich der 23-jährige Wandergeselle schon gesetzt. "Ich möchte unbedingt nach Skandinavien und nach Russland", sagte der Jungwanderer, bevor er sich mit anderen Gesellen auf den Weg machte. Zurück kommen wird er erst in drei Jahren und einem Tag.

    Foto: mh/ privat

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