STADTHAGEN (nb). Ruhe gibt es rund um den geplanten Bau des Gesamtklinikums Schaumburg in Vehlen noch lange nicht. Konzept, Ausrichtung, Standort, und Trägergesellschaft stehen weiterhin öffentlich am Pranger. Protest und neue Kritik wurden seitens der Bevölkerung, Schaumburger Ärzteschaft und Vertretern der Bürgerinitiative gegen eine Klinik in der Feldmark Vehlen (BI) in dieser Woche erneut laut.
Einen Tag nach der offiziellen Vorstellung des Rechtsgutachtens in Obernkirchen, das die BI beim Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Professor Martin Beckmann, in Auftrag gegeben hatte und das Bauvorhaben als rechtswidrig erklärt, hatten die Kreistagsfraktion der Grünen, Verdi und die Vertreter der Initiative zu einer Podiumsdiskussion in den Ratskeller geladen. Der war neben der fünfköpfigen Podiumsrunde voll besetzt: Mit direkten Gegnern des Vorhabens, Sympathisanten der BI, kritischen Ärzten und Bürgern, die "mangelnde Transparenz" beklagen und ihre "Ängste und Sorgen mit Füßen getreten" sehen. Zu hohe Erschließungskosten aufgrund der Lage in der Feldmark, die die Kalkulation des Klinikums nicht beinhalte, eine hohe finanzielle Belastung der Bürger, Patientenströme, die heute gar nicht mehr zu halten seien: Zu den Gründen, die BI-Sprecherin Christina Steinmann gegen den geplanten Standort anführte, kamen für die meisten Anwesenden noch ganz neue Töne hinzu, die die Wirtschaftlichkeit des vorgesehenen Trägers anzweifeln. Die evangelische Träger-Gesellschaft Pro Diako sei kapitalschwach und nicht in der Lage, ihren Anteil der Investitionskosten in Höhe von 35 Millionen Euro aufzubringen. Sie verhandele bereits mit der Agaplesion gAG, die bis zu 30 Millionen dieser Summe übernehmen solle. Dass die Commerzbank als Kreditgeber zurücktrete, brachte eine weitere Stimme aus den Reihen der Projekt-Gegner ein. Aysun Tutkunkardes, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi, äußerte vor diesem Hintergrund Zweifel, wie künftige Defizite von Pro Diako "gewuppt" werden könnten. Dies bringe letztlich die Beschäftigten in Gefahr, die ohnehin um ihre Arbeitsplätze und ihre tarifgerechte Bezahlung fürchteten. Der Träger Pro Diako sei aus ihrer Sicht nicht dafür bekannt, dass er Tarifverträge mit Kusshänden entgegenwerfe. Friedhelm Henze, niedergelassener Arzt aus Stadthagen, sieht die gute Versorgung der Patienten auf lange Sicht gefährdet und bezeichnete die Privatisierung als eine Fehlentwicklung. Es müsse vermieden werden, dass Gesundheit zur Ware werde, die dem Profit geopfert wird. Darüber hinaus kritisierte er die geplante Ausrichtung des Klinikums: "Wir brauchen ein Krankenhaus, das sich den Anforderungen der Zukunft stellt, nicht nur denen des Marktes." Henze erwarte ein Spektrum der Grund- und Regelversorgung. "Wir brauchen keine "Stroke Unit" vor der Tür von Minden und Hessisch Oldendorf, ein Beispiel für Fehl- und Überversorgung." Jan Bergmann, Arzt am Krankenhaus Rinteln, fühle sich "vor vollendete Tatsachen gestellt". "Warum wird die Bevölkerung nicht gefragt, was sie möchte? Wir sind mündige Bürger", so Thomas Schmidt, Vorsitzender von Verdi in Stadthagen. Fragen, die auch am Ende des Abends für die Teilnehmer offen blieben. Ein abschließendes "Meinungsbild", zu dem die Anwesenden per Handzeichen aufgefordert waren, zeigte die Einigkeit. Dass Landrat Jörg Farr und Claus Eppmann, Geschäftsführer der Krankenhausprojektgesellschaft Schaumburg mbH, im Publikum fehlten, wurde scharf kritisiert. Grünen-Kreisvorsitzende Marion Lenz erklärte daraufhin, dass beide als Zuhörer für die Veranstaltung nicht zur Verfügung stünden. Voraussetzung wäre eine gleichberechtigte Besetzung des Podiums. Zudem gingen sie davon aus, dass die BI Klage gegen das Bauvorhaben einreichen werde. "Wir werden es tun, wenn es erforderlich wird", bestätigte Thomas Knickmeier von der BI die weitere Vorgehensweise der Gegner. Auf der Homepage der BI, www.sumpfklinik.de werde ein Spendenkonto eingerichtet, das zur Deckung der zu erwartenden Anwaltskosten beitragen soll.Foto: nb