LINDHORST. Bernd Lange nahm sich für seinen Besuch im Schaumburger Land im Rahmen seiner rund vierwöchigen Sommertour viel Zeit. Einen ganzen Tag verbrachte der SPD-Europaabgeordnete auf Einladung der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in Lindhorst und besuchte zunächst die im Ottenser Dorfgemeinschaftshaus untergebrachte Kindertagesbetreuung Alte Schule.
Hier werden Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren aufgenommen. Lange zeigte sich beeindruckt von der Einrichtung, die er lobend als "eine klasse Geschichte" bezeichnete. Die Betreuungsstätte sei privatrechtlich aufgebaut, mit Unterstützung von Samtgemeinde und Gemeinde eingerichtet worden, sei somit kommunal verankert und werde nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben geführt. Betreuungseinrichtungen wie diese trügen dazu bei, die Frauenerwerbsquote deutlich zu erhöhen, denn der demographische Wandel mache ein Mehr an Facharbeitskräften erforderlich. Auch unterstütze eine Betreuung der Kinder in solchen Einrichtungen die möglichst frühzeitig einsetzende Förderung der jungen Menschen.
Beim Besuch des mittelständischen Mineralölhandel-Unternehmens Otto Hattendorf im Lindhorster Gewerbegebiet traf der Europaparlamentarier auf einen Vorreiter in Sachen schwefelarmes Qualitätsheizöl. Geschäftsführer Michael Hattendorf stellte dem SPD-Politiker den Betrieb vor und sprach die Spekulation mit Rohstoffen, insbesondere von Öl, an. Bernd Lange erteilte jeglicher Spekulation mit Rohstoffen eine klare Absage und bezeichnete im Pressegespräch letztlich die Einführung einer Transaktionssteuer (Tobin-Steuer) als dringend notwendig, um die schädlichen Spekulationen zu unterbinden. Von seinem Besuch in dem Unternehmen nahm Lange für sich selbst die Erkenntnis mit, dass das Investitionspotential für mittelständische Unternehmen verstärkt werden müsse. Vorgebrachte Ideen müssten deutlich mehr gefördert, Investitionsprogramme vermehrt auf den Mittelstand ausgerichtet werden.
Letzte Station seines Informationsbesuchs war die Alten- und Pflegeeinrichtung Gümmerscher Hof in der Lindhorster Ortsmitte. Hier wurde Lange beim Rundgang durchs Haus mit der Aussage von Geschäftsführer Jens-Peter Bernd konfrontiert, dass der Markt für examinierte Fachkräfte leergefegt sei. In dem mit 58 Betten voll belegten Haus seien alle Mitarbeiterstellen besetzt. Sei man jedoch auf der Suche nach neuen Mitarbeitern, sei eine Auswahl aus den Stellenbewerbern praktisch nicht mehr möglich. "Wer sich bewirbt, wird eingestellt, wenn nicht schwerwiegende Dinge dagegen sprechen" erklärte Bernd dem Europapolitiker. Ziele man darauf ab, Bewerberinnen aus Staaten der Europäischen Union einzustellen, stoße man einerseits an Sprachbarrieren. Andererseits gerate man bei der Anerkennung ausländischer Qualifikation sehr schnell an Grenzen, da sich die Bundesrepublik mit der Anerkennung solcher beruflicher Qualifikationen und Abschlüsse sehr schwer tue. Lange bezeichnete diesen Zustand als "skandalös". In der Europäischen Union sei die Freizügigkeit gegeben. Es gebe klare Kriterien für eine Anerkennung und die Bürokratie sollte solch einem Ersuchen um Anerkennung ausländischer Abschlüsse keine zusätzlichen Steine in den Weg legen. Bernds Aussage "Es muss mehr Geld ins System", um die Pflege bezahlbar zu machen, aber auch die Mitarbeitergehälter bezahlen zu können, traf bei dem Europapolitiker auf ein offenes Ohr. Lange machte im Pressegespräch deutlich, dass, wenn eine Reform der Pflegeversicherung angestrebt werde, diese sich aber unbedingt an Grundsätzen der Solidarität ausrichten müsse: "Gibt es keine solidarische Lösung, dann bleibt der Schwächere auf der Strecke." Foto: privat