LÜDERSFELD (wa). Thorsten Strate ist 26 Jahre alt und absolviert zurzeit ein Praktikum bei Klußmann Concept Bau in Bad Nenndorf. "Zu seinen Stärken zählen Pünktlichkeit und Engagement - er kann anpacken", sagt Michael Klußmann über seinen Praktikanten, der bei ihm als Zimmermann-Helfer arbeitet. Strates größter Wunsch: Eine Ausbildungsstelle. Um ihm diesen zu erfüllen, hat Arbeitgeber Klußmann bereits die Fühler nach Langenhagen ausgestreckt. Ein befreundeter Unternehmer könnte Strates lang ersehnten Traum der Ausbildung zum Dachdecker im nächsten Jahr wahr machen.
Der 26-jährige ist seit 2009 Teilnehmer einer Rehabilitationsmaßnahme der Integra GmbH. Da Strate Defizite im Lesen und Schreiben aufweist, konnte er bis jetzt keinen Schulabschluss erreichen und sich nicht im Berufsleben integrieren. Ein Teufelskreis. Die Integra kümmert sich in solchen Fällen um die Entdeckung der Talente der benachteiligten Erwachsenen. In verschiedenen Werkstätten üben sich die Teilnehmer in den Bereichen Holz, Metall, Garten und Hauswirtschaft. Die Einrichtungsleiterinnen Renate Boesler in Lüdersfeld und Birigt Kollender in Rinteln vermitteln die Rehabilitierenden anschließend in die passenden Praktika. Oft haben die Teilnehmer besondere Vorstellungen eines Berufes und stellen dann nach zwei Tagen fest, dass es überhaupt nichts für sie ist, so Kollender. "Wenn man ihnen vorher schon sagst, das kannst du nicht, glauben sie dir nicht", erklärt die Diplom-Pädagogin. In dem Fall schmeißt sie ihre "Schützlinge" ins kalte Wasser. Denn erzwingen lässt sich nichts. Auch wenn das Ziel die Vermittlung in Arbeit ist, heißt es am Anfang die sozialen Kompetenzen der jungen Erwachsenen zu stärken. Viele wissen das Teamfähigkeit wichtig ist, aber das dazu viel Charakterstärke gehört, dass wissen die wenigsten. Den hohen Stellenwert der Kommunikation, lernen die Rehabilitierenden in den Wohngemeinschaften der Integra.
Die Einrichtung stellt Wohnungen für zwei bis drei Bewohner in der Nähe des öffentlichen Personenverkehr zur Verfügung. Zudem ist ein Shuttledienst für die Rehabilitierenden eingerichtet. Die jungen Erwachsenen sollen trotz Betreuung eigenständig Arbeiten und Leben können. Doch da wartet das nächste Problem - die Pünktlichkeit. Daran hapere es oft gewaltig, berichtet Michael Klußmann. Er habe einem seiner Praktikanten bereits einen Wecker geschenkt, da dieser immer wieder zu spät auf der Baustelle erschien. "Ich versuche meinen Mitarbeitern immer zu vermitteln, dass wir alle in einem Boot sitzen - eine Familie sind", sagt der Zimmermann, der schon längere Zeit mit der Integra zusammenarbeitet. Klußmann sieht die Arbeit der Integra als sehr nützlich. Junge Menschen die im Handwerk arbeiten möchten, seien rar. Die Teilnehmer der Maßnahme könnten seiner Meinung nach schon bald als Rettungsanker für den Fachkräftemangel fungieren. Enger Kontakt zu den Partnerfirmen sei wichtig, so Leiterin Boesler. Inzwischen sind 17 Mitarbeiter in der Einrichtung tätig: Als Vertrauensperson und gleichzeitig als Lehrmeister. Die Arbeit der Integra GmbH wird durch zuständige Träger in Einzelmaßnahmen finanziert. Zu ihnen gehören die Agentur für Arbeit, mit Argen und JobCentern sowie Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträgern. Teilnehmer sind Menschen mit gesundheitlichen, psychischen, intellektuellen sowie körperlichen Einschränkungen. Genauso wie Personen mit Schädelhirnverletzungen, anderen neurologischen Krankheitsbildern und junge Schulabsolventen die aufgrund ihrer Voraussetzungen keine Ausbildung bekommen. Doch bei der Integra lernt man nicht nur für den Beruf, vielmehr für die Zukunft. So sieht das auch Strate, der sich seinen Platz in der Arbeitswelt hart erkämpft hat. Und vielleicht bietet sich ihm schon bald die Chance, seine Fähigkeiten umzusetzen.
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