1. "Verdrossen und ängstlich sein, das können wir"

    6. Bürgermahl der Bürgerstiftung mit Dr. Joachim Gauck

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    BÜCKEBURG/LANDKREIS (hb/m). Vorstand und Stiftungsrat der Bürgerstiftung Schaumburg waren stolz, Dr. Joachim Gauck als Festredner beim 6. Festlichen Bürgermahl im Bückeburger Rathaussaal begrüßen zu können. Der 71-Jährige war der erste Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und vor einem Jahr Kandidat für das Bundespräsidentenamt. "Sie alle kennen unseren Bundespräsidenten der Herzen", stellte Rudolf Krewer den Gast vor. Nach "langer Jagd" sei es der Bürgerstiftung gelungen, den "am meist gefragtesten Redner Deutschlands, ein Glücksfall als Lehrer für die Demokratie" zu bekommen. Am Tag zuvor hatte Dr. Joachim Gauck noch den Ludwig-Börne-Preis in Frankfurt verliehen bekommen. "Ich lebe erst seit 20 Jahren in politischer Freiheit und gelte schon als Spezialist", so der Festredner. "Wo ich jetzt lebe, habe ich Grundrechte, garantiert durch die Verfassung", so Gauck. "Wir waren keine Bürger, keine Bewohner, sondern Staatsinsassen", blickte er zurück. Lüge, Verrat und Niedertracht habe um ihn herum geherrscht. Da habe sich "die Freiheit in Träume verzogen".

    Die Freiheit sei nicht jedem wichtig gewesen. 56 Jahre lang seien Gehorsamkeit, Maulhalten und Demut ("knie nieder, und Du wirst erhoben werden") die Devise gewesen. Aber die Freiheit lasse sich nicht ewig abtöten. "Wir sind das Volk - das ist das schönste Wort der deutschen Geschichte", meint Gauck. Welcher Politiker habe je einen stärkeren Satz gesprochen. "Die Ermächtigung, sich für zuständig zu erklären, ist wichtig, ist ein Gebot des Bürgers bei der Sehnsucht nach Freiheit", so der Redner. "Wir haben damals gelacht und geweint an einem Abend, so wie zuletzt die jungen Tunesier", erinnert sich Gauck.

    "Angst zählt in Deutschland viel, verdrossen und ängstlich sein, das können wir", stellte Gauck fest. "Eine Politik, die auf Ängste folgt, ist keine gute Politik", sagte Gauck im Hinblick auf die abrupte Wende in der Energiepolitik. Das öffentliche Bewusstsein organisiere seine Ängste. So habe man den Verantwortlichen nach dem Ausbrechen der Schweinegrippe erst Sorglosigkeit vorgeworfen, und später, als sich niemand impfen lassen wollte, Verschwendung unterstellt. "Ich beglückwünsche Sie, dass Sie sich von Vermögen und Zeit trennen - ich finde es gut, was die Bürgerstiftung macht und stifte die Reisekosten ("behaltet die paar Kröten")", sagte Gauck, der im Vorfeld kein Honorar für seinen Auftritt verlangt hatte. Foto: hb/m

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