LAUENAU (al). Auch ein unruhig gewordener, 130 Jahre alter Mechanismus kann einen Lauenauer Uhrenexperten nicht schrecken. Gerrit Eckhardt, bei dem es im Haus hundertfach tickt und der schon ausgediente Bahnhofsuhren in der örtlichen Eishalle und am Klubheim der hiesigen Eisenbahnfreunde mit neuer Funktion versehen hat, brachte jetzt dem Antrieb von Zeigern und Glockenschlag im Kirchturm von St. Magnus in Beber wieder das exakte Gehen bei. Wenigstens 20-mal ist er deshalb die enge Steintreppe hinauf ins Oberstübchen des markanten Gotteshauses am Süntelrand gestiegen.
Wiederholt hatte sich der Kirchenvorstand besorgt über den Mechanismus im Turm gezeigt. Mal schlug die Glocke zu früh, mal zu spät; auch die Zeiger blieben unzuverlässig. An sich wäre das kein Problem, da heute jeder Mensch eine Uhr am Handgelenk trägt und die Bauern auf dem Feld auch nicht mehr auf den klingenden Mittags- oder Abendruf angewiesen sind. Doch natürlich sollte das denkmalgeschützte Gebäude schon perfekt in allen seinen Einrichtungen sein.
Ein Zufall schuf den Kontakt zwischen Kirchenvorsteherin Silvi Flintermann-Plener und dem Lauenauer Gerrit Eckhardt. Dieser hat sich in seinen Mußestunden ganz den Zeitmessern verschrieben. Und so sah er es auch als persönliche Herausforderung an, den mechanischen Abläufen im alten Uhrwerk auf den Grund zu gehen.
Mehr noch: Bevor er zu Schraubenzieher und Ölkännchen griff, wollte er alles über Uhr und dessen Produzenten erfahren. Einen Anhaltspunkt gab es bereits: 1878 hatte der Kirchenvorstand den Mechanismus von der Elzer Firma Furtwängler erworben.
Dieser Name war in jener Zeit weithin bekannt. Der Schwarzwälder Tüftler und Uhrenbauer Philipp Furtwängler hatte das Unternehmen 1823 gegründet. Es blieb nicht nur bei Zeitmessern. 1840 verkaufte er seine damals dritte Orgel an die Bebersche Gemeinde.
Sohn Wilhelm dürfte dann in zweiter Generation an der Uhr geschraubt haben, die für 300 Reichstaler ebenfalls ins Sünteltal ging. Das Beispiel machte Schule: Aus 1874 ist eine Uhreninstallation in Apelern überliefert. Viel mehr noch aber waren es die Orgeln, die von Elze aus in zahllosen Kirchen montiert wurden: Allein zwischen 1838 und 1861 entstanden 64 Instrumente. Die größte Orgel steht in der evangelischen St. Matthäi-Kirche in Gronau bei Alfeld unter Denkmalschutz.
Doch zurück zur alten Uhr in Beber. Eigentlich besteht sie sogar aus drei Antrieben, die die Zeiger, die dreimal täglich zu hörende Betglocke sowie den halbstündlichen Uhrschlag steuern. Doch am Getriebe haperte es allmählich. Trotz aller sorgfältigen Wartung, lief die Uhr vor oder blieb hinter der echten Zeit zurück. Es machte eben nicht mehr in gleichmäßigem Abstand Tick und Tack.
Den Mängeln ging Eckhardt auf den Grund. Erst musste er gründlich aufräumen. Nicht einmal der Uhrenschrank war sorgfältig verschlossen, der allein schon gründlich hätte erforscht werden müssen. Uhrenbauer und Küster haben auf ihnen im Laufe der Jahrzehnte Eintragungen hinterlassen: manche mit ungelenker Handschrift, andere mit durchaus kuriosen Hinweisen. Doch der Experte war ja wegen des Innenlebens da. Also reinigte er den großen Uhrenschrank, tauschte Zugfedern aus, beseitigte einen provisorisch nur mit Draht geflickten Defekt, justierte einen falsch montierten Eingriffshebel neu, fettete als sorgfältig ein und schraubte lose Teile fest. Veränderungen nahm Eckhardt auch an den von drei Motoren gesteuerten Aufzugsmechanismen vor, um schädliche Belastungen des Uhrwerks zu verringern. Zu guter Letzt baute er noch die von einem Thüringer Turmuhrenbauer entwickelte Synchronlösung ein. Ein Elektromagnet beeinflusst die untere Pendelspitze, so dass dieses die richtige Schwingungszahl erreicht und deshalb exakte Zeitangabe und punktgenauen Glockenschlag ermöglicht. Inzwischen liegt dem Kirchenvorstand ein detaillierter und mit Bildern illustrierter Arbeitsbericht vor, so dass kein Gemeindevertreter sich selbst auf den beschwerlichen Weg ins Oberstübchen machen muss. Dass der Lauenauer exakt gearbeitet hat, bestätigt der tägliche Blick zum Kirchturm. Die Zeiger drehen sich dort nun wieder ganz sekundengenau. Foto: al