BAD NENNDORF (jl). Das Demokratiebewusstsein stärken, die Lust zur politischen Mitwirkung steigern und für ein noch besseres Engagement gegen Rechtsextremismus mobilisieren. Diesen Zielen hat sich die von der Samtgemeinde Bad Nenndorf und der Universität Bielefeld organisierte Zukunftswerkstatt verschrieben. Rund 30 Bürger sowie Vertreter der Stadt, von Institutionen und Vereinen erarbeiteten Ideen, um die Frage "Wie wollen wir zukünftig in Bad Nenndorf leben?" zu klären.
Hintergrund ist unter anderem der Trauermarsch der Rechtsextremisten am 6. August. "Wir haben uns schon wieder vorbereitend darauf eingestellt eine bedrängende Situation zu erleben", hielt Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese fest. Diese sei belastend für das demokratische Leben in dem Kurort.
"Auch in diesem Jahr werden wir uns wieder kreativ, farbenprächtig und vor allem inhaltlich dagegen aufstellen", betonte Reese.
Empirisch gesehen sei die feindselige Mentalität in Bad Nenndorf gering ausgeprägt, obgleich sich für Antisemitismus und Sexismus stärker abwertende Einstellungen fänden. Zu diesem Fazit kam Andreas Grau vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. In dem von ihm vorgestellten Modellprojekt "Sozialraumanalysen zum Zusammenleben vor Ort" (SoRA-ZO) hieß es ferner, dass die Nenndorfer Engagementbereitschaft gegen Rechtsextremismus mit 65,4 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liege. Die hiesige Studie ist Teil eines bundesweiten Modellversuchs, die
Daten wurden im Herbst 2009 im Zuge einer repräsentativen Telefonumfrage mit 500 Bewohnern aus der Gesamtgemeinde Bad Nenndorf erhoben.
Grau fasste zusammen, dass neben einem niedrigen Bildungsniveau und Nettoeinkommen besonders die wahrgenommene politische Machtlosigkeit ein wichtiger Aspekt für ein erhöhtes Ausmaß der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sei. Im Umkehrschluss sei das Engagement gegen Rechtsextremismus umso größer, je weniger die Befragten sich politisch machtlos fühlen. "Das ist ein Appell an die Lokalpolitiker, sich zu überlegen, wie sie signalisieren, dass sie ein offenes Ohr für die Bürger haben", hob Grau hervor.
Hinsichtlich der Engagementbereitschaft würden nur knapp 40 Prozent der Befragten an einer genehmigten Demonstration teilnehmen. Dieser Wert ist Grau zufolge deutlich am niedrigsten im Vergleich zu anderen Städten Deutschlands. Dies zeige, dass in Bad Nenndorf parallel zu Demonstrationen auch andere Formen geschaffen werden müssten, wo sich ambitionierte Bürger einbringen könnten.
Gute Ansätze dafür lieferten die Ideen der Projektgruppe B, die zunächst feststellte: "Das Engagement ist hier gar nicht so schlecht." Es gebe viele Beispiele, etwa der VfL und die Gottesdienste , dass das Engagement gegen den Trauermarsch seit 2006 stetig gestiegen sei. Wer eine gewisse Scheu oder gar Angst vor Demonstrationen hege, müsse zwar auf gar keinen Fall daran teilnehmen, sollte aber gleichzeitig auch zeigen, dass er sich nicht "im Keller verkriecht, um das Desaster nicht mitzubekommen".
Die Idee: Unter dem Motto "Feiern gegen Rechts" möglichst viele bunte Veranstaltungen zu organisieren, vom Gartenfest mit Familie und Freunden bis zum Straßenflohmarkt.
Die Gruppe forderte, dass im Zuge dessen besonders die Ratspolitiker "sichtbarer" werden müssten. "Die Lokalpolitiker sind Volksvertreter und Vorbilder. Sie müssen öffentlich Gesicht zeigen und persönlich dazu stehen." Dies müsse nach den Ergebnissen der Arbeitsgruppe C vor allem ganzjährig geschehen und nicht nur zum Trauermarsch der Rechtsextremisten. Mit mehr Werbung etwa auf Plakaten oder in Zeitungsanzeigen und diversen Aktivitäten, wie beispielsweise Kultur- und Sportfeste, Projektwochen und Beratungsangebote, könnten die Ergebnisse der Studie und der Zukunftswerkstatt auf die öffentliche Agenda gehoben werden.
Ausgangspunkt für das Zusammenleben in Bad Nenndorf und bürgerschaftliche Engagement war Gruppe A zufolge, dass Ängste in Vereinen und Institutionen bestehen, bei Gegenveranstaltungen zum Trauermarsch aktiv zu werden. Diese gelte es über das Jahr hinweg abzubauen. Wichtig sei dabei der Zusammenhalt zwischen der älteren und jüngeren Generation, die Kontinuität in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Thematik sowie die Verbreiterung institutioneller Ansprechpartner. In Bereichen des Jugendengagements, etwa in Schützenvereinen und Feuerwehren, müsse das Bewusstsein gegen Rechtsextremismus entwickelt und stärker sensibilisiert werden. Eine Überlegung wäre auch, das Jugendparlament wieder ins Leben zu rufen, um in Jugendkreise hineinwirken zu können.
Nach der Vorstellung der Gruppenergebnisse hielt Samtgemeindebürgermeister Reese fest: "Wir werden Gesicht zeigen gegen Rechts. Das tut Bad Nenndorf gut, das tut Deutschland gut, denn die Demokratie muss wehrhaft bleiben."
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