HÜLSEDE (al). 65 Jahre nach Kriegsende sind etliche Pilotenschicksale noch immer ungeklärt. Die Besatzungen deutscher und alliierter Maschinen kamen bei Abstürzen ums Leben. Manche der Gefallenen ruhen heute auf Soldatenfriedhöfen; andere gelten als vermisst. Seit rund einem Jahr versuchen neun ehrenamtlich tätige Experten Licht in das Dunkel zu bringen. Sie gehören einer Fachgruppe "Luftfahrtarchäologie" an, die beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege etabliert worden ist.
Einer dieser Helfer ist Dirk Hartmann. Der 45-jährige Hülseder wollte den Erzählungen seiner Großeltern über den Absturz eines britischen Bombers zwischen Meinsen und Pohle im Jahre 1943 nicht alleinigen Glauben schenken. Zu widersprüchlich waren deren Informationen sowie andere Hinweise auf die Ereignisse. Also forschte er selbst mithilfe britischer Archive und fand bald die Unglücksumstände und auch die Personalien der betroffenen Insassen heraus. Fünf von ihnen kamen bei dem Absturz um; zwei überlebten. Vor zwei Jahren kam es zu einer denkwürdigen Begegnung: Britische und kanadische Nachfahren der damaligen Soldaten trafen sich mit Hartmann am Absturzort.
Mit der Zeit stieß der Familienvater, der auch beruflich mit der Fliegerei zu tun hat, auf immer mehr ungeklärte Absturzfolgen. Vor allem der 26. November 1944 hat etlichen Soldaten das Leben gekostet. In den Mittagsstunden des damaligen Totensonntags tobte ein Luftkampf über dem Deister-Sünteltal, in dessen Folge allein 32 Maschinen zu Boden fielen.
Heute bearbeitet Hartmann insgesamt rund hundert Abstürze im gesamten Gebiet zwischen Hildesheim und Minden. Bei wenigstens 60 ist er sich sicher, deren Hintergründe und Beteiligte abschließend dokumentieren zu können. Bei den übrigen 40 will er sein Bestes tun. Allerdings bedarf es dabei zuverlässiger Quellen und auch Augenzeugen.
Dass gerade Letzteres immer schwieriger wird, weiß auch Hartmann. Trotzdem gibt er den Mut nicht auf. Und er fordert unablässig dazu auf, sich mit ihm unter der Rufnummer (05043) 1596 in Verbindung zu setzen. Auf der Liste der ungeklärten Ereignisse stehen unter anderem Rinteln (Neelhof und Möllenbeck-Hessendorf), Nordsehl und nahe der Domäne Brandenburg bei Stadthagen. Offen ist er jedoch auch für alle anderen Hinweise zu hiesigen Abstürzen. Diese gleicht er mit den bereits registrierten Fakten ab. Der kleine PC-Arbeitsplatz in seinem Haus ist schon lange zur internationalen Drehscheibe geworden. Von hier aus korrespondiert er mit englischen und amerikanischen Archiven, mit Piloten-Veteranenvereinen und mit unterschiedlichsten Informanten.
Aber hier beantwortet er auch Mails von Dienststellen, Museen, Archiven und Forschern. Am meisten aber ist er vom Interesse mancher Nachfahren beeindruckt. "Ich weiß oft gar nicht, wie die an meine Adresse kommen", kommentiert er die vielen Mails, um deren prompte Beantwortung er sich stets bemüht. Gerade erst ist eine Anfrage aus der Schweiz eingetroffen; vor Tagen war es eine intensive Korrespondenz mit einer Frau in Alaska.
Manchmal muss aber auch er resigniert mit den Schultern zucken. So kann ein spektakulärer Absturz einer deutschen Focke-Wulf über Altenhagen II an jenem Totensonntag nur durch eine Vermutung erklärt werden. Wenige Wochen später fanden Jäger die Leiche eines Leutnants Helmut Thiemann im Stölting-Forst bei Eimbeckhausen. "Der muss die Maschine gesteuert haben", ist sich Hartmann sicher. Denn bei der Bergung der Unglücksmaschine vor etlichen Jahren waren in ihr keine sterblichen Überreste eines Piloten zu finden. Foto: al