1. Eine Spurensuche im Garten des Schlosses

    Jagdflugzeug stürzt vor 67 Jahren ab / Stadtarchivar hat recherchiert

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    STADTHAGEN (mh). Adolf Tatje geht über den Rasen hinter dem Schloss in Stadthagen und zeigt auf eine unscheinbare Stelle. "Hier ist es passiert, hier ist die Maschine runtergekommen", sagt der Stadthäger Stadtarchivar.

    67 Jahre ist das nun her, losgelassen hat ihn dieser Tag seitdem nicht. Adolf Tatje war sieben Jahre alt, als am 20. Februar 1944 ein Flugzeug der Deutschen Luftwaffe in einem Luftkampf abgeschossen wurde und in den Garten neben dem Ostflügel des Stadthäger Schlosses stürzte. Für die zweiköpfige Besatzung des Flugzeuges gab es keine Rettung mehr. Es war ein grausiger Anblick, berichtet ihm ein Schufreund, der damals gleich zum Absturzort geeilt war: Rauchende Trümmer ragten aus der Erde, von den Fensterscheiben im Schloss waren nur noch Splitter übrig. An der Schlosswand klebte großflächig das Blut der ums Leben gekommenen Besatzung des deutschen Kampfflugzeugs. Erst am nächsten Tag konnte sich Adolf Tatje selbst ein Bild von dem Absturz machen, zuvor schirmten Polizei und Wehrmacht die Stelle streng ab. "Mit einem Raupenschlepper wurde noch erfolgslos versucht einen der beiden Motoren aus dem Boden zu ziehen", sagt Adolf Tatje. "Metall war zu der Zeit kostbar." Der Motor müsste dort heute noch unter dem Rasen liegen.

    Der Absturz ereignete sich zur Mittagszeit, Adolf Tatje war gerade mit seiner Familie zu Besuch bei den Großeltern in der Krummen Straße, als er die Geräusche des Luftkampfes hoch über seinem Kopf wahrnahm. Kurze Zeit danach folgte der Lärm des Absturzes. "Wir wohnten damals in der Obernstraße und dachten schon unser Haus wäre beschädigt, bis sich herausstellte, dass der Flieger in den Schlossgarten gestürzt ist."

    Nicht nur durch den Flugzeugabsturz war der Krieg für den siebenjährigen Schüler auch in Stadthagen damals allgegenwärtig. "Es gab fast jeden Tag Fliegeralarm und wir mussten in den Luftschutzkeller", erzählt Adolf Tatje. Diese Stunden sind ihm in Erinnerung geblieben, die Angst und vorallem die gespenstige Stille, die in den Schutzräumen herrschte. "Jeder hatte ja Angst etwas Falsches zu sagen und fürchtete sich vor Konsequenzen durch die Nazis." Manchmal, wenn der Mond draußen schien, ließen die Eltern die Kleinen raus vor die Tür zum Fußballspielen.

    Vor fast zehn Jahren hat Adolf Tatje damit begonnen, mehr über den Absturz im Februar 1944 herauszufinden. In der Stadt wurde der Absturz damals totgeschwiegen, sagt Tatje. Es gab keine Berichterstattung, keine Fotos. Auch die Zeitungen schrieben nicht über den Vorfall. Vielleicht auch ein Grund warum sich der Stadtarchivar an die Recherche machte. Entscheidende Hilfe bekam er dabei von dem ehrenamtlichen "Luft-Archäologen" Dirk Hartmann aus Hülsede. Dieser untersucht und recherchiert schon seit Jahren Flugzeugabstürze und das Schicksal der Mannschaften aus dieser Zeit. Er verfügt mittlerweile über internationale Kontakte und konnte schon so manches Schicksal auf alliierter sowie deutscher Seite aufklären. Beiden gelingt es die Geschichte hinter dem Absturz zu rekonstruieren.

    Das abgestürzte Flugzeug war eine Messerschmidt Me 110 G2 und war in Wunstorf stationiert. Es gehörte dem III. Zerstörergeschwader 26 an. Bei Luftkämpfen im Februar 1944 verlor das Geschwader 21 Flugzeuge, unter anderem auch das über Stadthagen. An Bord dieses Jagdflugzeuges waren der Pilot Josef Scherkenbeck aus München und der Unteroffizier Werner Schmidt aus Dresden. Beide liegen in ihren Heimatorten begraben. Für Adolf Tatje schließt sich damit ein Kapitel aus seiner Kindheit. Viel Zeit hat er mit seinen Recherchen verbracht, ihm ist es zu verdanken, dass der Flugzeugabsturz im Schlossgarten nicht in Vergessenheit gerät.

    Foto: mh

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