OBERNKIRCHEN (wa). Als Pädagoge könne man eigentlich nur eines: Das Gehirn des Schülers stören. Und das hoffentlich positiv. So lauteten die einleitenden Worte von Referent Doktor Matthias von Saldern aus Lüneburg. Er sprach im Forum der IGS Obernkirchen mit einer gehörigen Portion Humor über das Streit-Thema Integrierte Gesamtschulen.
Doktor Matthias von Saldern plädiert für das Erschaffen einer effektiveren Lernkultur, welche jedes Kind individuell und erfolgreicher lernen lässt.
Das größte Problem der deutschen Bildung sei die Heterogenität, so der Professor der Leuphana Universität Lüneburg. Vor 1919 wurden Kinder nach ihrem sozialen Stand in die Schulformen eingeordnet. Nach dieser Jahreszahl begann man kleine intergrierte Gesamtschulen zu schaffen - die Grundschulen. Die nach vier Jahren bevorstehende Einteilung in Haupt-, Realschule (HRS) und Gymnasium, setzt dem Schüler seit eh und je einen Stempel auf: Hauptschule - Ich kann nichts. Gymnasium - Ich bin gut. Diese sogenannte Etikettierung wirke sich auch auf die Eltern aus. Demotivation und sogar Resignation auf beiden Seiten sei die Folge. Anhand abstrakter Bildkunst machte von Saldern deutlich "In Deutschland müssen alle immer sortieren". Sogar Noten sehen nach der "deutschen Sortierung" plötzlich ganz anders aus, als es die Melodie eigentlich erfordere. Dabei sei das Kernziel der Gesamtschulen so einfach: Kinder unterschiedlicher Leistungsstärken in einer Klasse, die sich gegenseitig motivieren. Wenn die Starken den Schwachen etwas beibringen, betrachten "die Guten" die Thematik noch einmal aus ganz anderer Sicht und lernen zusätzlich. Eine Statistik zeige, nur 0,8 Prozent der Schüler verlassen die Gesamtschule ohne Abschluss, an den HR-Schulen sind es rund neun Prozent, so von Saldern. Als Problem sehe er vorallem die fachspezifische Leistungsdifferenzierung. Die A-, B- und C-Kurse der Hauptfächer. Das vermeintliche "gemeinsame Lernen", sei schlussendlich nur wieder eine Klassifizierung des Könnens. Die C-Kurs-Schüler sind unmotiviert weil ihnen leistungsstarke Vorbilder fehlen und die A-Kurs-Schüler "ruhen sich auf ihren Lorbeeren aus". Als Fazit: Jedwede Sortierung sorgt entweder für den Abbau des eigenen Selbstbildes (Ich bin nur Hauptschüler) und hemmt den weiteren Lernprozess. Oder aber sie führt zur Selbstüberschätzung (Als Gymnasiast bin ich schon gut genug). Warum also nicht beides bündeln und für ein effektiveres Lernklima sorgen, fragt von Saldern. Das Schlüsselwort sei die Individualisierung: Das Schaffen einer neuen Lernform, bestehend aus gemeinsamem, kooperativem und individualisiertem Unterricht. Es solle gelernt werden und nicht nur stur unterrichtet. Die Sommerferien verschieben ginge jedes Jahr aufs Neue - aber mal die Bildungskultur zu überdenken, daran scheitere es, so von Saldern.
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