STADTHAGEN (bb). Rund 50 Menschen haben in der ehemaligen Synagoge in Stadthagen den Pogromen des Jahres 1938 gedacht. Im November 1938 zündeten SA-Leute auch die Synagoge in Stadthagen an, in den folgenden Jahren traf die Verfolgungswelle des nationalsozialistischen Staates die jüdischen Bürger Stadthagens mit massiver Gewalt. Schüler des Kurses für darstellendes Spiel der Integrierten Gesamtschule Schaumburg (IGS) leiteten mit einem Theaterstück über ein religiöses Streitgespräch am kurfürstlichen Hof in Hannover in die Gedenkveranstaltung ein.
"Wir haben doch alle einen Gott", bemerkte die Kurfürstin Sophie nach dem Ende der Diskussion, zu welcher Joseph Stadthagen 1704 nach Hannover geladen worden war. Der jüdische Religionsgelehrte aus der heutigen Kreisstadt war von einem vom Judentum übergetretenen Christen nicht überlieferten Namens zum Streitgespräch herausgefordert worden. Letztlich drehte sich die Diskussion vor Kurfürst Georg Ludwig, dessen Mutter Sophie und weiteren Angehörigen des Hofstaates natürlich um die Frage, welcher Glaube der richtige sei. Rabbi Joseph vertrat seinen Standpunkt so überzeugend, dass er den Respekt der hohen Herrschaften gewann. "Ihr habt doch nichts bewiesen", entgegnete die Kurfürstin Josephs Diskussionsgegner, der den Nachweis der Überlegenheit des Christentums hatte führen wollen, am Ende blieb die Frage nach der wahren Religion unbeantwortet.
Bürgermeister Bernd Hellmann, Vorsitzender des zur Gedenkveranstaltung einladenden Fördervereins ehemalige Synagoge, führte in seiner Ansprache die Verbindung zwischen dem Disput in der Frühen Neuzeit zu den Geschehnissen im Jahr 1938 vor Augen. Das überlieferte Streitgespräch mache klar, dass bereits 1704 eine jüdische Gemeinde in Stadthagen existierte, so Hellmann. Damals nur geduldet, waren die Juden ohne alle Bürgerrechte der Willkür des jeweiligen Landesherren ausgeliefert. 1717 etwa, ließ Graf Friedrich-Christian alle Juden aus Schaumburg-Lippe verweisen. Die allmählich vollzogene Emanzipation bis zur bürgerlichen Gleichberechtigung, wurde mit der Durchsetzung des NS-Regimes ab 1933 beendet und zurückgedreht. Die Pogrome von 1938 waren ein vorläufiger schrecklicher Höhepunkt einer Entwicklung, die in der systematischen Vernichtungspolitik des NS-Regimes gipfelte. 1933 gehörten der jüdischen Gemeinde in Stadthagen rund 60 Personen an. Sie wurden wie Juden in ganz Deutschland beschimpft, boykottiert, beraubt, geschlagen und soweit nicht außer Landes geflohen schließlich nahezu ausnahmslos umgebracht, hielt Hellmann fest. Heute trauere man in dem Bewusstsein, dass sich so etwa in Deutschland niemals wiederholen dürfe, betonte Hellmann. Auch mit dem Ausbau der Synagoge zu einem Ort des Lernens und der Erinnerung solle zu diesem Bewusstsein beigetragen werden.
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