LINDHORST. Auf Einladung des SPD-Samtgemeindeverbandes sprach der Stadtplaner Peter H. Kramer im Saal von Hof Gümmer rund eine Stunde lang vor einem äußerst sach- und fachkundigen Publikum über Entwicklungen in der Bevölkerung und der Beschäftigung im Bereich der Samtgemeinde Lindhorst. Auch über Gegebenheiten im Wohnungsbestand informierte er seine dreißig Zuhörer, darunter zahlreiche Vertreter aus Kommunalpolitik und Verwaltung.
Peter H. Kramer: "Die Samtgemeinde ist eine ganz gewöhnliche, eher langweilige Gemeinde. Das ist ihre Stärke."
Bewusst nannte Kramer seine Ausführungen eine "Ausarbeitung" und vermied den Begriff des Gutachtens. Er wolle seine mit Hilfe von Statistiken erstellten Szenarien, in die Zahlen aus den letzten dreißig Jahren einflossen, als "Information für die Entscheidungsträger" verstanden wissen, ließ er seine Zuhörer wissen. Er machte klar, dass er den Blick in die Zukunft auf der Grundlage von Prognosen ablehne. Zahlenwerke und Trends dieser Art seien "Unfug".
Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen in der Samtgemeinde Lindhorst machte er anhand von Geburtenzahlen deutlich. Insgesamt sind in der Samtgemeinde noch vor 41 Jahren insgesamt 133 Kinder geboren worden. 2007 ging die Anzahl der Geburten auf 57 und 2008 auf 56 zurück. Letztes Jahr erblickten 67 Kinder, deren Eltern in der Samtgemeinde wohnten, das Licht der Welt. Als Begründung für den Anstieg verwies der Referent unter anderem auf die Ausweisung von Neubaugebieten.
Für die einzelnen Gemeinden sagen die Zahlen Folgendes aus: In Beckedorf gab es 1969 noch 40 Neugeborene, 2009 nur noch 14. In Heuerßen lautete 1968 die Anzahl der Geburten 15, letztes Jahr waren es bei einer inzwischen erfolgten Verdoppelung der Einwohnerzahlen gegenüber 1968 nur 5. Lindhorst verzeichnet als einzige der Mitgliedsgemeinden steigende Geburtenzahlen. Trotzdem ist auch hier ein Rückgang festzustellen: Wurden 1968 noch 71 Geburten registriert, lautet die Zahl für heute 42. Fast 40 Prozent Rückgang verzeichnet Lüdersfeld: 1968 freuten sich 16 Elternpaare über ihr neugeborenes Kind, 2009 war die Freude in 6 Familien groß. Kramer sieht bei der Geburtenhäufigkeit noch nicht das Ende der Entwicklung erreicht: "Der Rückgang an Geburten wird weitergehen." Auch bei Berücksichtigung von Zu- und Abwanderungen aus dem Bereich der Samtgemeinde hält sich der Rückgang der Bevölkerungszahlen nach Ansicht Kramers jedoch in Grenzen. Sein Fazit: "Keine wirklich rasante Entwicklung. Nicht wirklich dramatisch. Hier passieren keine sensationellen Dinge."
Bei seinen Aussagen zur Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stellte der Referent eine "stetige und ruhige Entwicklung" fest. Die Samtgemeinde weise insgesamt weniger Arbeitsplätze am Ort auf als dort Beschäftigte wohnen auf. Auf Überraschung im Publikum stieß seine Aussage, dass vorhandene Arbeitsplätze in der Samtgemeinde sehr oft von Auswärtigen besetzt seien. Lediglich 214 Menschen wohnen und arbeiten vor Ort in der Samtgemeinde. Für den Stadtplaner eine "sehr geringe Quote."
Mit Blick auf den Wohnungsbestand merkte Kramer an, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. Auffällig sei, dass die Gemeinde Lindhorst über einen hohen Bestand an Mehrfamilienhäusern verfüge. Die Erstellung von Einfamilienhäusern sei in den letzten Jahren nahezu zum Erliegen gekommen. Während 2007 noch 10 Eigenheime errichtet wurden, waren es 2009 gerade noch 2. Sein Rat an die Verantwortlichen vor Ort: "Wollen Sie Angebot und Nachfrage zusammenbringen, finden Sie heraus, was die Nachfrager wollen und bieten Ihnen dann das Passende an."
Mit Blick auf die von ihm nachgezeichneten Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten formulierte Kramer seine Schlussbetrachtung: Die Samtgemeinde sei ein ruhiges, ja geradezu langweiliges Plätzchen: "Eine ganz gewöhnliche Gemeinde." Er forderte seine Zuhörer auf: "In der Ruhe liegt die Kraft. Machen Sie was draus."
In der sich anschließenden Aussprache zeigten sich einige Gesprächsteilnehmer sichtlich verwundert ob der Schlüsse, die Kramer aus den von ihm vorgestellten Zahlen zog. Direkt nach Schlussfolgerungen aus seinen Ausführungen und nach möglichen Hilfestellungen für politisches Handeln vor Ort befragt, verwies der Referent immer wieder auf die Notwendigkeit des Handelns durch die dafür zuständigen Personen in den politischen Gremien. Wie die Entwicklung der einzelnen Bereiche in Zukunft weitergehe oder weitergehen solle, dazu könne er nichts sagen: "Alle Prognosen, die Sie kennen, sind falsch." Er gebe keine Handlungsvorgaben. Wie ein Gemeinwesen in Zukunft inhaltlich gestaltet werde, "das soll die Kommunalpolitik selbst entscheiden." Immer wieder verwies er darauf, dass die Diskussion darüber inhaltlich und nicht auf der Grundlage irgendwelcher Vorausberechnungen zu erfolgen habe - eine Position, die im Kreise der Zuhörer doch auf erheblichen Widerspruch stieß.
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