LINDHORST (mk). Um 6.45 Uhr geht die erste Tafel-Tour von Matthias Hinse, Sprecher von "Wir für soziale Gerechtigkeit" los. Sie führt die Gruppe von Stadthagen über Lauenau, Rodenberg, Barsinghausen, Wunstorf nach Bad Nenndorf. Tietz, Ratio, Lidel, Neukauf und Penny und einige mehr liegen auf der Tour. 9.45 Uhr: In der Kurstadt wartet man schon auf die Gruppe, denn genau wie in Stadthagen beginnt auch hier die Ausgabe um 11 Uhr. Hinse und seine Begleiter räumen in etwa die Hälfte der Ware aus dem Fahrzeug, durch die Kellerfenster werden die Warenkörbe entgegen genommen. Bevor die Ausgabe öffnet muss die Ware noch sortiert und eingelagert werden.
Wer das große Heer der Ehrenamtlichen sucht, wird bei der Tafel nicht fündig. Durchweg Ein-Euro-Jobber sind in der Tafel tätig. "Natürlich würden wir uns über Ehrenamtliche Mitarbeiter freuen", verrät Chefin Michaela Hinse, "nur müssten die eine große Verlässlichkeit mitbringen." Fünf Stunden am Tag und 25 Stunden in der Woche dürfen sie arbeiten. Die Ein-Euro-Jobber müssen ja kommen. "Die, die wir uns aussuchen kommen gerne und verlässlich", berichtet sie weiter. In Stadthagen angekommen geht alles ein wenig schneller, denn um 11 Uhr warten die ersten Kunden. Die Hilfe, die von "Außen" kommt, sieht dann so aus, dass viele Menschen ihren Überschuss aus dem Garten bei der Tafel abgeben.
Andere bringen Lebensmittel die sie selber nicht mehr brauchen. Ein erster Blick durch die Tür verrät, 16 Personen sitzen zu Anfang im Warteraum. Jeder bekommt eine Nummer zugelost, so gibt es keinen Stress unter den Wartenden. Die Anmeldung läuft über Ayhan, die Menschen sagen ihm, ihre Kundennummer, bezahlen einen Euro, Kinder 50 Cent, und bekommen die Ware. In der Kundendatei steht neben der Kundennummer ihre Anschrift und die Anzahl der Personen. Jeder Kunde darf maximal zweimal in der Woche zur Ausgabe kommen, auch das wird in der Kundendatei vermerkt. Um 12 Uhr ist der erste Ansturm abgearbeitet. Es bleibt ein wenig Zeit zum nachdenken. Natürlich gab es Menschen, wo der erste Blick auf einen Tafel-Besuch hindeutete. Aber dem größten Teil der Menschen, die die Tafel aufsuchen, sieht man ihre Bedürftigkeit nicht an. Alte Menschen mit ganz kleiner Rente, Alleinerziehende mit ihren Kindern, Kranke und arbeitslos gewordene Menschen, wie Hinses "Kollegen für einen Tag" von der Tafel. Seine Tafel-Chefin erzählt ihm von der immer höher werdenden Zahl der Bedürftigen und dem Rhythmus, in dem sie die Tafel aufsuchen. So werden es zum Monatsende, wenn das Geld knapp wird, immer mehr. An heißen Sommertagen bleibt ein großer Teil der älteren Leute Zuhause.
Die Tafel bietet für Kranke und Alte den Service der Mitnahme-Boxen an. Ware wird in Boxen gepackt und kann von Angehörigen, Freunden und Bekannten abgeholt werden. Die Menschen die hier arbeiten sind oft selbst Kunden und jeder erhält am Ende des Arbeitstages seinen eigenen Warenkorb. Für Hinse ist nach Saubermachen und Müll entsorgen um 14.30 Uhr Feierabend. Viele Eindrücke aus einer, ihm bis dahin unbekannten Welt, nimmt er mit nach Hause. Einen Tag Urlaub verschenken kann helfen Dinge neu zu denken. Nächstes Jahr gehört wieder ein Urlaubstag anderen Menschen.
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