RINTELN (ste). Die Gewerkschaft ver.di diskutierte jetzt mit Mitgliedern des Stadtrats und der Ortsräte über die Finanzprobleme der Kommunen und ihre Ursachen. Dazu war Dr. Patrick Schreiner als Abteilungsleiter Wirtschaft, Strukturpolitik und Europapolitik beim DGB Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt eingeladen, der im Rahmen seines Vortrages die wirtschaftlichen, politischen sowie die Finanzmarktzusammenhänge der auch in Rinteln angekommenen Finanzprobleme darstellte. Sein Fazit: "Handlungsfähige Kommunen sind für unser Gemeinwesen unverzichtbar: Vor Ort finden Weichenstellungen für die ganze Gesellschaft statt. Bildung, Kultur, Wohnen und Sport prägen vor allem junge Menschen. Kommunale Infrastruktur und Wirtschaftskraft bestimmen regionale Wirtschaftsräume und sichern Arbeit. Auf der kommunalen Ebene entscheidet sich der Erfolg oder Misserfolg der Reformpolitik von Bund und Ländern. Deshalb haben Kommunen einen Anspruch auf eine finanzielle Basis, die ihre Handlungsfähigkeit sichert. Es kann nicht sein, dass Schlaglöcher kaum noch geflickt werden, dringend notwendige Renovierungen und Instandhaltungsarbeiten an öffentlichen Gebäuden endlos verschoben werden, um dann möglicherweise Einrichtungen aus Kostengründen ganz schließen zu müssen und Straßen aus Gründen der Gefahrenabwehr mit Warnbaken und Geschwindigkeitsbeschränkungen zu versehen!"
Die Auswirkungen auf die Personalsituation der Kommunen seien inzwischen dramatisch. Freiwerdende Stellen werden entweder nicht besetzt oder erheblich verzögert. Der nicht bestimmungsgemäße Einsatz von 1-Euro-Jobs kann nicht immer ausgeschlossen werden. Der Hinweis auf ehrenamtlichen Einsatz bei der Pflege öffentlicher Einrichtungen wird die Personalproblematik auch nicht lösen können.
Insgesamt, so Dr. Schreiner, fehlten den niedersächsischen Kommunen mehrere Milliarden an Einnahmen bei gleichzeitig höheren Ausgaben. Auch in Rinteln geschieht die Finanzierung des Haushalts inzwischen unter Zuhilfenahme von Kassenkrediten in nicht unerheblichem Umfang.
Wie man die Einnahmesituation der Kommunen verbessern könne, dazu gab es unterschiedliche Ansätze. Günther Maack (CDU) setzte auf eine Bürgersteuer und die "Grünen" mit Ursula Helmhold auf die Gewerbesteuer sowie Reformierung der Grundsteuer. Einigkeit bestand allerdings in der Forderung nach einer Verbreiterung der Einnahmebasis. Daneben besteht die Notwendigkeit, die Einnahmen der Kommunen aus der Einkommenssteuer durch den Abbau von Steuersubventionen oder Maßnahmen wie die Anhebung des Spitzensteuersatzes zu verbessern. Die Bevorzugung der Hotelbetriebe durch den ermäßigten Steuersatz oder unterschiedliche Steuersätze für Esel und Maultiere sind der Bevölkerung nicht vermittelbar, so Dr. Schreiner.
Äußerst problematisch für die Einnahmesituation empfanden die Diskussionsteilnehmer die durch Leiharbeit, Geringverdiener, 1-Euro-Jobber und fehlende Mindestlöhne entstandene Lohnsituation mit fehlender oder geringer Steuerpflicht. Es gibt inzwischen einen im Juni dieses Jahres im Niedersächsischen Landtag eingebrachten Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Sanierung der kommunalen Haushalte, der vorsieht, die Gemeindefinanzen solide zu reformieren, eine Reform der Grundsteuer einzuleiten und den Umbau der Gewerbesteuer zur kommunalen Wirtschaftssteuer vorzunehmen.
Die politischen Gremien der Stadt Rinteln werden vor dem Hintergrund der bestehenden und sich vermutlich noch verschärfenden finanziellen Situation vor schwierigen Haushaltsberatungen stehen, die sich möglicherweise in einschneidenden Sparmaßnahmen niederschlagen.
Hans Jürgen Niemeier als Vorsitzender von ver.di in Rinteln betont, dass diese Veranstaltung in Rinteln den Auftakt für weitere Aktionen und Veranstaltungen im Landkreis Schaumburg und überall darstellt. Auf die Veranstaltung des DGB, AWO und SoVD am 14. Oktober im Ratskeller Stadthagen "Städte und Gemeinden ohne Zukunft? Auswirkungen des Sparpakets auf die Städte und Gemeinden!" wurde hingewiesen.
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