STADTHAGEN (jl). Hinsichtlich der radikalen Entwicklungen beim Autositzhersteller Faurecia hat SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Niedersachsens Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) aufgefordert, dass er "sich nicht wegduckt und Vogel Strauß spielt, sondern sich einsetzt". Nach einem Austausch mit IG Metall und Betriebsrat appellierte sie im anschließenden Pressegespräch an die Landesregierung und deren Verantwortung sich zu beteiligen.
Das Land müsse seinen Einfluss als großer Anteilseigner bei VW nutzen, denn, so Nahles: "90 Prozent der laufenden Aufträge produziert Faurecia für VW." Es sei wichtig, qualitativ hochwertige Zulieferer in Deutschland zu halten. Werde die Produktion geschwächt, werde auch so auf Dauer die ganze Entwicklung geschwächt. Damit gehe eine "Lebensader verloren".
Die Kreisverwaltung habe dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium schriftlich nahe gelegt bei VW tätig zu werden, berichtete SPD-Landratskandidat und Kreiskämmerer Jörg Farr. Der Wunsch des Landkreises: "Gerne hätten wir es, dass der Ministerpräsident in dieser Sache nach Stadthagen käme." Im Zuge dessen kritisierte Nahles die EU-Förderpolitik, die sie als "merkwürdig" bezeichnete und deren Förderrechte es gelte zu klären. In Bezug auf Frankreich sei Deutschland strukturell benachteiligt. Nach einem von der IG Metall dargelegten Vorgang hat Frankreich einen mit EU-Geld geförderten Industriepark errichtet. Faurecia-Mitarbeiter montieren dort eine Crash-Anlage, die eigentlich in Stadthagen hätte errichtet werden sollen. "EU-Förderpolitik darf nicht zu so einseitigen Verschiebungen führen", beanstandete die SPD-Generalsekretärin. Hier sehe sie auch eine "Handlungsnotwendigkeit" von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der sich "um die Folgen kümmern muss".
Dass Verabredungen, die Gegenstand von Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer waren, "offenbar von der Geschäftsführung gebrochen worden sind", besorgte Nahles. Der Betriebsrat müsse in die Betriebsleitung mit einbezogen werden. Ein entsprechender Gesetzantrag sei bereits auf dem Weg in den Bundestag. Darin fordere die SPD mehr Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in Wirtschaftsfragen. Es gehe neben dem Informationsrecht vor allem darum, die Initiativrechte des Betriebsrats ausreichend zu stärken.
Für Nahles dränge sich auch die Frage nach den Faurecia-Auszubildenden in den Vordergrund. Rund 80 Azubis seien im gewerblichen Bereich tätig. "Es ist von großer Bedeutung, dass junge Leute qualifiziert ausgebildet werden", sagte sie. Daher müsse Klarheit für die Auszubildenden und deren Zukunft geschaffen werden. Angesichts der aufgeführten Punkte sei Nahles "ungeduldig" und das aus einem ganz einfach Grund: "Wir haben hier keine Zeit mehr, es muss gehandelt werden, auch von McAllister."
Sehr erfreut über die sowohl politische als auch moralische Unterstützung von Generalsekretärin Nahles zeigte sich Betriebsratschef Fred Hartmann. Dies verdeutliche, dass "es in der Politiklandschaft auch Politiker gibt, die präsent sind, wenn sie gebraucht werden". Hartmann verwies auch auf eine "klare Solidarität im Werk", die auf alle Arbeitnehmervertretungen aller Standorte in Deutschland zutreffe. Die gesamte Belegschaft schließe sich für eine gemeinsame Aktion zusammen. Die Botschaft: "Der Wille der Belegschaft zu einer vernünftigen Lösung zu gelangen und die Unterstützung für die Betriebsräte sind groß." Foto: jl