1. "Zauberer sollen mit dem Schwert gerichtet werden"

    Rechtsprechung, Religion und Wahnsinn: Wissenschaftlicher Disput im Kloster Möllenbeck / "Wissenschaft und Esoterik sind nicht vereinbar"

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    MÖLLENBECK (km). "Mir dreht sich jetzt ein Karussell im Kopf" - mit diesem Worten finalisierte "Fürst Ernst" den Schwindel erregenden akademischen Disput, zu dem sich am vergangenen Dienstag rund 150 Interessenten im Winterrefektorium des Klosters eingefunden hatten. Ein "Crossover" von Wissenschaft, Religion und Wahnsinn bildete die Grundlage einer Podiumsdiskussion, bei der Sigmund Graf Adelmann, Geschäftsführer der "Schaumburger Landschaft", drei Historiker zu den Gepflogenheiten von Hexenprozessen befragte, die noch bis vor rund 300 Jahren fast zur juristischen Tagesordnung gehörten.

    Sigmund Graf Adelmann moderiert die akademische Gesprächsrunde.

    Diskutieren auf der Bühne (v. li.): Die Historiker Dr. Claudia Kauertz, Dr. Stefan Brüdermann und Dr. Stefan Meyer.

    "Fürst Ernst" mit "Magister Hieronymus Notholden" (re.), der die Hexenproblematik aus der Perspektive der Frühen Neuzeit darstellt.

    Bild_04: Riesiges Interesse: Insgesamt rund 150 Besucher wurden im Winterrektorium des Klosters gezählt

    Bild_05: "Zauberer sollen mit dem Schwert gerichtet werden," empfiehlt - verbindlich - die Schaumburgische Polizeiordnung von 1615

    Dr. Stefan Brüdermann, Direktor des Staatsarchivs in Bückeburg, wies zunächst darauf hin, dass Hexenverfolgungen ein weltweites Phänomen gewesen seien (und teilweise sogar noch sind). Dabei stellten auch Dr. Claudia Kauertz, Archivarin am Hauptstaatsarchiv Hannover und Dr. Stefan Meyer, Leiter des Rintelner Stadtarchivs und des Museums Eulenburg, ausdrücklich darauf hin, dass das Mittelalter längst vorbei war, als die Hochzeit der Hexenprozesse begann.

    Rund 60.000 Opfer sollen in der Zeit zwischen 1450 und 1750 weltweit als Hexen oder Zauberer zum Tode verurteilt worden sein, 300 Prozesse, so Dr. Stefan Meyer, habe es in Schaumburg gegeben. Dabei waren über 80 Prozent Frauen, zu den restliche 20 Prozent zählten neben Männern auch zahlreiche Kinder. Da kannten die "Ordnungshüter" kein Pardon: Wehe dem, der eines "Schadenszaubers" überführt wurde und - nicht selten unter schrecklichen Torturen - ein entsprechend verlangtes Geständnis ablegte! Daumenschrauben, Stachelrollen, "gespicker Hase" - im Rintelner Museum sind heute noch etliche Gerätschaften zu sehen, die seinerzeit zur "Wahrheitsfindung" dienten.Dr. Stefan Meyer unterstrich aber auch, dass die Verfolgung von Hexen durchaus keine epidemischen Ausmaße angenommen habe. Obwohl die Anzahl von 300 Prozessen für das relativ dünn besiedelte Schaumburger Land vergleichsweise sehr hoch war, endeten in Lauf von rund 300 Jahren "nur" 35 bedauernswerte Opfer auf dem Scheiterhaufen.

    Während die Statistik eine recht konkrete Sprache spricht, konnte letztlich aber offenbar nicht wirklich geklärt werden, woher die Zahlen eigentlich stammen, da es nicht sehr viele verwertbare Dokumente gibt. Kirchenbücher, gab Dr. Claudia Kauertz zu bedenken, seien erst nach dem 30-jährigen Krieg regelmäßig geführt worden, und auch die Frage aus dem Publikum nach der Zusammensetzung und Funktionsweise der Gerichte ließ sich nicht detailliert rekapitulieren.

    Zu den offiziellen Schriftstücken indessen, die gut erhalten und heute noch einsehbar sind, gehört eine "Schaumburgische Polizeiordnung" von 1615, in der empfohlen wird: "Zauberer sollen mit dem Schwert gerichtet werden."

    Ein besonders tragische Rolle bei den meisten der insgesamt rund 300 Prozessen gegen Hexen und Zauberer in Schaumburg spielte die Rintelner Universität, deren juristische Kapazitäten in vielen Fällen die wissenschaftlichen "Legitimationen" von - aus heutiger Sicht - aberwitzigen Argumenten lieferten. Immerhin ging aber von Rinteln auch ein wichtiger Impuls für die Terminierung des Irrsins aus: Die "Cautio Criminalis" des Jesuitenpaters Friedrich von Spee trug letztlich wesentlich dazu bei, dass die Hexenprozesse langsam eingestellt wurden. Auf die kausalen Nachwirkungen der Hexenverfolgungen, die bis heute offenbar noch nicht völlig ausgelöscht sind, hatte eine Gruppe von Frauen beim "Gerichtstag" mit "Fürst Ernst" am letzten Samstag auf dem Rintelner Marktplatz hingewiesen und auf Transparenten "Schaumburger Friede auch für die Hexen" gefordert. Auf den "verschwörungstheoretischen" Ansatz einer Diskutantin in Möllenbeck, an der Verfolgung von Frauen seien in der frühen Neuzeit letztlich auch die prosperierenden Fakultäten von Medizin (in Rinteln) und später auch von Pharmakologie nicht unerheblich beteiligt gewesen - deren Protagonisten sich der konkurrierenden "Heilerinnen" auf diese Weise hätten entledigen wollen, mochten sich die Historiker auf der Bühne nicht einlassen. "Wissenschaft und Esotherik sind nicht vereinbar," fasste Dr. Claudia Kauertz die aufgeklärte Position des 21. Jahrhunderts zusammen - die sich nicht mehr von irrationalem Glauben und verquerer Rechtsprechung aus dem Lot bringen lassen möchte. Foto: km

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