RINTELN (km). Es grenzte bald an Majestätsbeleidigung: Beim "Gerichtstag" auf dem Marktplatz musste der anlässlich des 900-jährigen Jubiläums der Schaumburg reanimierte "Fürst Ernst zu Holstein-Schaumburg" über eine halbe Stunde lang in der prallen Sommersonne sitzen - im Schatten oder unter einem Sonnenschirm wären es wohl "nur" um die 30 Grad gewesen. Für das - nach eindringlicher Instruktion - konvenabel jubelnde Publikum waren die Temperaturen aber anscheinend gerade recht: Der Markplatz jedenfalls war bei der Ankunft der hohen Herren in Begleitung von Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz proppenvoll. Die eheste Affinität zu der Hitze hatte möglicherweise die Damen-Gruppe, die bei der Anhörung vor dem Landesvater aus der Vergangenheit auch "Schaumburger Friede auch für die Hexen" gefordert hatte und dem Fürsten einige Schicksale heimischer Frauen aus jener unrühmlichen Zeit schilderten, als die schlimmen Untaten im Namen der Kirche noch von heimischen Universitäts-Professoren "wissenschaftlich legitimiert" werden konnten. Auf die komplexe Thematik mochte sich Ernst in der Kürze der Zeit allerdings nicht einlassen und vertröstete seine Zuhörerschaft auf einen akademischen Disput, zu dem Landkreis und Schaumburger Landschaft am gestrigen Dienstag ins Kloster Möllenbeck eingeladen hatten. - Kleiner Fauxpas am Rande: Auf ihren Transparenten hatten die "Hexen" offenbar die Gänsefüßchen vergessen. Zu Beginn des Gerichtstages hatten einige Untertanen den Fürsten zunächst vor ein paar kleine Probleme gestellt. Bei den Befürwortern der vieldiskutierten Integrierten Gesamtschule etwa musste seine Durchlaucht Informations-Defizite eingestehen - die er aber aufzuarbeiten versprach. Mit konkreten Zusagen indessen hätte wohl ohnehin niemand gerechnet. Regelrecht "verwirrt" zeigte sich seine Durchlaucht beim Anliegen von Vertretern des Naturschutzbundes, die unter anderem auf den "Raubbau" im Steinberger Steinbruch und das Schickal des Messingsberges hingewiesen hatten, dessen kompletter Kamm vor sechs Jahren eingestürzt war. Dass es überhaupt einen "Naturschutzbund" geben müsse, vermochte Fürst Ernst nicht nachzuvollziehen: "Die Natur ist doch schließlich unser Kapital." Kapital, dass sich freilich auch buchstäblich in klingende Münze umwandeln lässt: "Man weiß hier bestimmt, dass wir den Berg verkauft haben," erinnerte der einstige Landesvater. Um Kapital im weitesten Sinn ging es auch auf der nächsten Station, auf dem Gelände der ehemaligen Universität am Kollegienplatz, wo sich Schüler des Gymnasiums Ernestinum als Meister der Alchemie erwiesen: Aus einigen Cent-Münzen zauberten die jungen Leute "echte" Goldtaler. "Gezaubert" wurde auch wenige Meter weiter, wo eine andere Schüler-Gruppe eine Kurzversion des Zauberlehrlings aufführte, um den Fürsten um Unterstützung für einen neuen Probenraum zu gewinnen. "Goethe?" fragte der Fürst-Darsteller, Schauspieler Peter Kaempfe - "nie gehört!" Kein Wunder: Der Dichter-Fürst wurde ja auch erst rund 30 Jahre nach dem Tod des Schaumburger Fürsten geboren. Foto: km
In Sachen "IGS" musst seine Durchlaucht Informations-Defizite eingestehen.
Die Forderung "Schaumburger Friede auch für die Hexen" erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der Rintelner Geschichte.
Echte Goldtaler: Junge Alchemistem "zaubern" auf dem ehemaligen Universitäts-Gelände - seine Durchlaucht (ganz re.) staunt.
Die Theater-Truppe vom Ernestinum wird um Unterstützung für einen neuen Proberaum.
Bild_06: Der Markplatz war bei der Ankunft der hohen Herren proppenvoll