LANDKREIS (al). Udo Mierau wollte seinen Augen nicht trauen. Der in Eimbeckhausen lebende Heimatforscher blickt immer wieder einmal neugierig in Kataloge auf der Suche nach Dokumenten zur lokalen Historie im Deister-Sünteltal oder im Schaumburger Land. Nun stockte ihm fast der Atem: 2500 Euro nennt ein Kölner Auktionshaus als Ausruf für einen genau 137 Jahre alten Brief. Der Umschlag ist schon ein Kuriosum: Er wurde 1873 von Obernkirchen nach Australien verschickt. Mierau hat natürlich nicht so viel Geld, um sich bei der Versteigerung zu engagieren. Aber ein Foto von dem seltenen Stück wollte er trotzdem zu seinen Unterlagen nehmen. Ausführlich studierte er die erkennbaren Vermerke. Am 30. September 1873 stempelte der Beamte im Obernkirchener Postamt die drei Briefmarken im Gesamtwert von 7 1/4 Groschen ab: Der dreizeilige Druck nennt Obernkirchen, "Reg.Bez. Cassel" und das Datum. Danach trat das Kuvert samt Inhalt seine lange Reise an: auf dem Landweg zur italienischen Hafenstadt Brindisi und dann laut Aufdruck "PD" mit dem Postdampfer nach Australien transportiert. Dort hätte ihn "Dr. W. Heinemann" in Ravenswood erhalten sollen. Ravenswood galt als die Goldgräberstadt in Queensland. Doch der Adressat war nicht mehr dort: Mit weiteren Stempeln und einer entsprechend vermerkten Gebühr wurde der Brief nach Millchester weitergeleitet. Nach dem von einem Schätzer ausgestellten Zertifikat ist es die erste überhaupt bekannte Nachsendung eines Briefs innerhalb Australiens.
Teures Fundstück: Udo Mierau zeigt ein Foto vom Originalbrief, der 1873 von Obernkirchen nach Australien ging.
Aus irgendeinem Grund hat der Umschlag alle Kriege und Ereignisse überdauert und ist auf unbekannte Weise wieder zurück nach Deutschland gekommen. Vielleicht hat er viele Jahre in einem Karton oder einem Koffer gelegen, bis er schließlich in Sammlerhände gefallen ist. Das Auktionshaus erklärte jedenfalls auf Anfrage nur, dass das Schreiben aus einer "privaten Sammlung" stamme. Sprecher Jürgen Jennes untersuchte auf Bitten des SW die Rückseite des Originals und guckte auch in den Umschlag hinein: Leider ergaben sich keine Hinweise auf den Absender, der im September 1873 mit schön geschwungenen Buchstaben dem "Herrn Dr. W. Heinemann" den Brief zuleiten wollte. Foto: al