STADTHAGEN (nb). Was früher zum Miteinander gehörte, ist heute längst nicht mehr selbstverständlich. Zu wenig Kommunikation und Frust am Arbeitsplatz machen psychisch krank. Das belegte Doktor Ewald Rahn, Nervenarzt und Facharzt für Psychiatrie bei Soest in seinem Vortrag "Seelische Erkrankungen und Arbeitswelt", den er anlässlich des 40-jährigen PGB-Jubiläums im "Industrie Service Stadthagen" hielt. Seinem Publikum, größtenteils Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Landkreises Schaumburg, stellte er Kernergebnisse seiner Studien vor. An der Spitze der Gründe für eine Arbeitsunfähigkeit stünden nach der Statistik einer großen deutschen Krankenkasse nicht etwa chronische Erkrankungen wie Rückenleiden oder Diabetes. Platz Eins belegen vielmehr Depressionen und Alkoholmissbrauch, deren Verlauf lange Fehlzeiten oder sogar die völlige Arbeitsunfähigkeit nach sich zieht. Ursache sind hier selten die steigenden Anforderungen und die Menge an Arbeit. Die größte Rolle auf dem Weg zu Erkrankung spielten Begleitfaktoren, die in Kombination miteinander eine besonders gefährliche Verbindung eingehen. Soziale Konfliktsituationen und steigende Arbeitsbelastung, die mit Kontrollverlust über die Tätigkeit einher geht, führten laut Rahn schnell zu einem seelischen Ungleichgewicht. Mitarbeiter eines Call-Centers und Krankenpflegehelfer sind hier besonders gefährdet zu erkranken. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, braucht der Betroffene Hilfe von außen. Im besten Fall würde der Betroffene seinen Arbeitsplatz wechseln, im schlechtesten Fall kann die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation bis zum Suizid führen. Als Beispiel führte Rahn hier Serien-Selbstmorde der jüngeren Vergangenheit in Frankreich und China an. Mit den Überbegriffen Feindseligkeit, Unzufriedenheit und Erschöpfung, wie etwa beim sogenannten "Burn-Out", benannte Rahn die Hauptursachen für seelische Störungen, die zur Problemen am Arbeitsplatz führen. Insbesondere der soziale Faktor im Arbeitsumfeld ist nicht zu unterschätzen. Gehörten einst der Austausch unter Kollegen oder ein offenes Wort bei Unstimmigkeiten zu jedem Arbeitstag, führt gerade das Wegfallen dieser "Kleinigkeiten" im Berufsalltag zu Problemen. Was Rahn rät, ist in jedem Fall das sachliche Reflektieren der eigenen Situation und Konsequenz, wenn es darum geht, die erforderlichen Schlüsse daraus zu ziehen und einen Ausgleich zu schaffen. Jeder Berufstätige müsse Eigenverantwortung übernehmen, denn allzugerne begeben sich etwa Mobbing-Geplagte in eine Opferrolle. Wer allein nicht vorwärts kommt, sollte zeitnah Hilfe in Anspruch nehmen. Rahn forderte, auf die Ressource "Seelische Gesundheit" mehr Rücksicht zu nehmen und die deshalb als Aufgabe in die betriebliche Gesundheitsvorsorge aufzunehmen. "Die Betroffenen werden immer jünger." Es handele sich um ein gesellschaftliches Problem "und das können wir uns nicht erlauben". Foto: nb
Der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit sind psychische Erkrankungen: Doktor Ewald Rahn erklärt den Zusammenhang von Erkrankung und Arbeit.