1. Der Frau Geheimnisse entlocken

    "Kleine Eheverbrechen" offenbart das Kurtheater / Dank an Regisseurin

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    BAD NENNDORF. Der Blick in ein schmales Programmbeiblatt des Mecklenburgischen Landestheaters Parchim bestätigt Vermutungen in jeder Richtung. Fragen über Fragen - und keine Antworten, eben nur Vermutungen. Der Autor Eric-Emmanuel Schmitt bedient sich eines Tricks, um zwei Eheleuten auf die Schliche zu kommen. Er entwickelt eine Handlung, in der der Ehemann die Bühne betritt mit der Angabe, er könne sich an nichts mehr so recht erinnern und müsse jetzt ganz neu anfangen, alles neu zu sortieren: die Einrichtungsgegenstände der Wohnung und vor allem die Beziehung zu seiner Frau. Einem Unfall sei es wohl zuzuschreiben, dass er eine geraume Zeit ohne Bewusstsein verbracht habe. Einem Unfall? Wirklich einem Unfall, einem Sturz von der Treppe, selbstverschuldet oder angestoßen von der ach so liebreichen Ehefrau? Oder was? Keine Antwort. Oder war der Unfall gar inszeniert, um auf diesem Wege - hier liegt der Trick - der Frau Geheimnisse zu entlocken, auf die der ach so liebreiche Ehemann so nicht gestoßen wäre? Keine Antwort. Alles ist möglich. Eines wird auf jeden Fall stimmen: Verkorkst muss die ganze Eheschose schon sein. So entsteht vor den Augen des Betrachters geradezu ein Minikrimi, in dem Schicht um Schicht freigelegt wird, bis beide samt und sonders defloriert dastehen.

    Oskar Wedel

    Wie bringen es die Beiden? Den Gilles spielt Lutz Leyh, die Lisa Sabrina Lössl. Sie eine schlanke Erscheinung, lange Hosen, eng anliegend, welch ein Innenleben! Ebenmäßig die blanken Arme, scharf geschnitten das Gesicht, schmal die Wangen, profiliert die Nase, ein bezwingendes Spiel der Augen, eingelagert in ein Umfeld mimischen Reichtums.

    Aus seiner Schatulle wird alles bedient: die Unterkühlte, die Erschreckte, die Enttäuschte, die Hinreißende, die Lauernde, die Stategin, die überwältigte Bloßgestellte, etwa wenn der recherchierende Ehegatte serienweise leere Flaschen hinter einem Stapel von Büchern entdeckt. Ja, es stimmt: Sie trinkt. Warum bloß?

    Und er? Nicht ganz so schlank mehr, leicht angebäuchelt, der Pulli legt das Profil präzise frei, die Damen fanden ihn ausgesprochen kuschelig, gut zu knuddeln. Soweit zum Äußeren. Und wie sieht‘s drinnen aus? Knallhart die Analysen der Worte, die Lisa als Steilvorlage liefert, um ihn zu provozieren oder auch in Fallen stolpern zu lassen, aus denen er sich nur schwer befreien kann. So ist er neben dem Analytiker der Gelieferte, ja Ausgelieferte, der mehrfach die Segel streicht, zur Tasche greift und abrücken will, dann aber doch zurückkehrt; auch hier alle Regungen mimisch voll ausgereizt.

    Warum verlassen sie einander nicht? " Wir können uns wohl trennen, aber nicht verlassen." Und so rückt auch sie am Ende wieder ganz nah an ihn heran, und alles läuft weiter, wie gehabt. Grandios die Leistung der Beiden, entsprechend überbordend der Beifall. Dank auch an die Regisseurin Katja Mickan.

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