NIENSTEDT/LAUENAU (al). 140 Jahre lang haben dicke Buchen Wind und Wetter getrotzt und sind kräftig und kerzengerade in die Höhe gewachsen. In nur wenigen Sekunden ist ihr Dasein besiegelt: Die Motorsäge kappt den kapitalen Stamm. Danach beginnt für ihn ein geradezu atemberaubender Ausflug: Wie die Gondel an einer Seilbahn gleitet der hölzerne Riese zu Tal.
Zivilen Zuschauern bleibt das Schauspiel, das sich in diesen Tagen am Wallmannweg nahe Nienstedt versperrt. Eine weitläufige Absperrung verbietet den Zutritt. Denn das Fällen der Bäume ist nicht ohne Gefahren; zudem ist die beliebte Wanderroute zwischen Wallmannhütte und Nienstedter Pass streckenweise kaum begehbar, wenn die dicken Riesen oder die ausladenden Baumkronen mitten auf dem Weg liegen. Die Seilkrantechnik tut in Übriges: Plötzlich gleitet so ein Stamm in luftiger Höhe heran und wird vorsichtig aus seiner Verankerung befreit.
Experte für Transporte solcher Art ist Ernst Althuber. Der Dialekt verrät seine Herkunft: Im Salzburger Land aufgewachsen, in Österreich und in der Schweiz viele Erfahrungen mit dieser Art des Transports von Baumstämmen gesammelt. Mit diesem Können und Wissen kam er nach Norddeutschland und gründete vor jetzt 30 Jahren einen Forsttechnik-Betrieb in der Nähe von Eschershausen im Weserbergland. Von dort erledigt er Aufträge im Solling, im Harz und mitunter auch im Deister.
Jetzt war wieder so ein Anlass gegeben. Zwischen Nordmannsturm und Wallmannweg galten etliche kapitale Bäume als hiebreif. Doch der steile Hang in diesem Bereich bereitete Probleme. Würden hier schwere Bergungsfahrzeuge eingesetzt, wäre der wertvolle Waldboden rasch zerstört. Also musste Althuber ran.
Eines seiner wichtigsten Maschinen ist eine Art Kranwagen. Dessen stählerner Turm lässt sich bis auf 17 Meter Höhe ausfahren. Von dort werden Drahtseile gespannt - hangauf- oder -abwärts je nach Bedarf und bis auf eine Distanz von 700 Metern. Stämme mit bis zu 5,2 Kubikmetern lassen sich damit bergen. Das Gegenstück zu Althubers Lkw-Masten sind stabile Bäume, um die die dicken Seile gelegt werden. Dann trudeln die Bäume wie Gondeln zu ihrem Ziel.
Doch diesmal hatte der 65-Jährige Pech. Kaum trudelten die ersten kapitalen Hölzer zu Tal, fiel die Maschine aus. Eine Pumpe war defekt, die den wichtigen Drahtseilzug regelte. Und weil es kaum gleichartige Technik im eher flachen Norddeutschland gibt, musste das Teil zur Überprüfung bis nach Neu-Ulm gebracht werden. "Das Wetter hätte uns nicht zu schaffen gemacht", grinst der Experte über den anhaltenden Schneefall an diesem Tag. Wohl erst am kommenden Mittwoch können die Arbeiten fortgesetzt werden.
Jochen Matthaei, Dezernent im Forstamt Saupark und zuständig für die Holzwirtschaft im gesamten Deistergebiet, bedauert die Zwangspause sehr. Denn die Nachfrage aus der Möbel- und holzverarbeitenden Industrie an Laub- und auch an Nadelholz ist groß – und die "Ernte" in vollem Gange. Von Oktober bis März sind Forstwirte und Lohnunternehmen dabei, mit dem Fällen der größten Bäume Platz für junge Pflanzen zu schaffen. Die Marktlage bereitet Matthaei dagegen wenig Kopfzerbrechen: Die Preise sind stabil und haben wieder das Niveau erreicht, wie es vor dem verheerenden Sturm Kyrill üblich war. Die Kyrill-Folgen sind zumindest im Deister ausgemerzt: Rund 50 Hektar Flächen wurden neu unter anderem mit Eichen, Buchen und Douglasien aufgeforstet.
Eigentlich sollte schon in den nächsten Tagen der Wallmannweg wieder für Wanderer freigegeben werden. Doch dürften sich nach Ansicht des Pressesprechers der Forstverwaltung, Joachim Hansmann, die Sperren noch einige Tage fortsetzen. Es sind nicht nur die durch die Luft schwebenen Baumstämme. Die Seilkrantechnik erlaubt es, die hölzernen Riesen erst direkt am Weg zu entasten und aufzuarbeiten. Zudem behindern schwere Fahrzeuge das Durchkommen. Ausflügler sollten sich deshalb möglichst eine andere Tour durch den Deister suchen: Der Schnee hat dem Bergzug überall ein prächtiges Kleid gegeben. Foto: al