HANNOVER. Das Alter hat Konjunktur. Zentrumsnahes Wohnen, Alltagsbegleitung und die Generation 50-plus als hofierte Käuferschicht. Doch wenn es kritisch wird, an die Substanz geht, dann schaut kaum jemand mehr hin. Das Theater für Niedersachsen (tfn) hat mit dem Stück "Für alle das Beste" das Thema Altersdemenz auf die Bühne gebracht. In fast jeder Familie ein Thema, in der Öffentlichkeit stiefmütterlich behandelt.
Ines Hitzemann
Zum Inhalt: Mutter Marlies verliert zunehmend die Orientierung. Ihr Mann stirbt, kurz bevor er den Verkauf des Hauses und den Umzug an das Steinhuder Meer in eine seniorengerechte Wohnung organisieren kann. Die Kinder, Carola und Klaus, sind Anfang 40, stehen mitten im Leben, abseits der gemütlichen Staubigkeit von Sammeltassen und Familienfotos.
Zur Beerdigung des Vater krachen dann die Welten im heimischen Elternwohnzimmer aufeinander. Die Mutter verfällt geistig vor den Augen der Kinder, die sich keinen Reim darauf machen können. Alle schreien sich an, um im nächsten Moment sprachlos vor der Situation zu stehen.
Platz für Trauer um den Vater gibt es nur wenig. Ob die Mutter schon zu betrauern ist, wissen die Kinder selbst nicht. Einzig die Zugehfrau Alexa kann die Krisen, die Angst und den Verfall der Mutter auffangen. Indem sie sich um die ehemals stolze Frau kümmert wie um ein kleines Kind, sie liebkost, mit ihr singt und ihr die Haare kämmt. Was am Ende "Für alle das Beste" ist, weiß zunächst niemand so recht.
Doch Autor Lutz Hübner hat mit dem Stück ein heißes Eisen angefasst, dessen Brisanz die Gesellschaft künftig noch deutlicher berühren wird.
Jörg Gade hat das Stück inszeniert, ohne den Schleier der Kunst über die Tiefen der Krankheit zu legen. Die Schauspieler des tfn lassen mit ihren quälend langen Pausen die Spannung erahnen, die Demenz in das Leben einer Familie bringt. Gut gemacht, auch wenn oder gerade weil dem Zuschauer das aufkommende Lachen im Halse stecken bleibt.